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ihre Hilflosigkeit den Terrainschwierigkeiten gegenüber ließ früher die Straße bei Usora
gegen Westen abbiegen, um erst nach einer längeren Umgehung über Tesanj wieder die
Bosna aufzusnchen.
Bei Trbuk fallen bereits einige Höhen bis zur Bosna vor, ein Felsenthor bildend,
das große Dohlenschaaren kreischend umschwärmen. Auf den Felsengesimsen des Sahin-
kamen, des Falkensteines, dessen Falken vor der Locomotive längst geflohen, blockt jetzt
der mächtige Aasgeier, dieser Charaktervogel des Balkans, auf. So in Stimmung
gebracht, sieht man nun drüben über der kühlen, schnellen Flut der Bosna auf dem
dunklen Grunde schön gegliederter steiler Hänge das wundervolle Reliefbild Maglajs.
Am Flußrande steigt der graziöse Kuppelbau der hochangesehenen und oft von Mekka
pilgern ausgesuchten Knrsumli-Moschee aus einem melancholischen Mezarlnk (Friedhof)
ans, und die malerische Regellosigkeit orientalischer Häusergruppen verliert sich in dem
Grün der Lehnen. Das Gewirre alter Holzbauten abstreifend, erhebt sich am Flußrand
ein dichtbelaubter Vorberg, ans dem sich eine alte Burg ausbreitet. Schlingpflanzen
nmranken sie; Baum und Busch wächst hoch und höher. Wer sie erbaut, erkämpft, besessen
und verloren — all die Namen hat im gedächtnißlosen Orient der Wind verweht, der
leise zerstörend das Gemäuer umspielt.
Die Thalsohle der Bosna mit ihren raschen Wendungen und immer wechselnden
Scenerien, ihren Städten und der Zier der Schlösser und Burgen, ist nichts als eine
bequeme, hübsche alltägliche Straße im Vergleiche zu den Erscheinungen des lieferen
Innern. Der erste Fluß des Waldlandcs Bosniens, hat auch keinen Wald. Daß jede
Stadt, jede Ortschaft von einer Zone von Holzlosigkeit umgeben wird, ist im Orient
natürlich; die langen Kriegszeiten ließen aber auch an den Straßenzügen allgemach den
Wald ansrotten, und den Nachwuchs fraß das Weidevieh.
Oben allerdings, ans dem Kamme der Begleithöhen, da ändert sich das Aussehen
der Landschaft mit einem Schlage: Wald und Wald, unabsehbar, grenzenlos. Was unten
im Bosnathale förmlich absurd erscheint: daß Bosnien mit einnndfünfzig Procent Wald
stäche nächst Finnland das waldreichste Gebiet Europas ist, das begreift man hier oben
rasch. Ist das stark coupirte Terrain westlich der Bosna bis zum Vrbas, wie schon
erwähnt, der Waldbereich der Zupa, so braucht man nur die Hänge über Maglaj zu
ersteigen, um auch gegen Osten die Waldeswogen dahinflnten zu sehen. Zuerst Laubholz,
dann die dunkle Kiefer. Doch auch die schönsten Eichen werden aus den schmalen, zur
Bosna führenden Seitenthälern herausbefördert. Aus diesen holen sich die mohamme
danischen Edelleute von Maglaj, Tesanj und Zepce die Falken zu der heute noch wie im
Mittelalter geübten Jagd, namentlich aus den etwa vierzig Meter hohen Felswänden
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