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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Bosnien und Hercegovina

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hinanführen. Im Norden ragen die kahlen, den Beginn der Verkarstung zeigenden Aus 
läufer des Ozren, die sich in großen Wogen herandrängen. Einen Halbkreis beschreibend, 
stoßen die Berge nun hart aneinander und gestatten kaum einem bescheidenen Flüßchen, 
der Miljacka, einem tiefen, Wuchtigen Einschnitt zu entkommen, um das offene Feld zu 
gewinnen. So gestalten die Berge in ihrem Formenreichthum plötzlich einen tiefen Thal 
kessel, der für eine größere Stadt scheinbar keinen Platz bietet. Und eben hier liegt 
Sarajevo, die „weiße", die „goldene" Stadt der Bosnier. 
Wie groß sie ist, hat noch Niemand auf einen Blick gesehen. Denn sie häuft ihre 
Häuser nicht nur auf den Flächen längs des Flusses und klettert die Wandungen des 
Kessels hinan, sondern legt sich auch in dessen unzählige Terrainfalten, Vertiefungen und 
Wasserrisse. Von welchem Standorte immer man Sarajevo mit einem einzigen Blick 
erfassen will, immer bleiben große Theile der Stadt gedeckt, immer zeigt sie sich anders, 
immer verbirgt sie etwas von ihrer Ausdehnung. 
Bis vor Kurzem war Sarajevo eine Stadt aus einem Gusse, von einem Geist 
erzeugt, die erste Stadt der moslemitischen Slaven. Begeisterte Hingabe an den neuen 
Glauben drückte der Werdenden ihre Zeichen auf. So ward sie echt türkisch, wie kaum 
eine andere, einzig in ihrer Art. 
Sarajevo ist ein Monument des türkischen Eroberers, knapp fünfhundert Jahre alt. 
Die Jugend der Stadt spricht aus ihren Zügen. Inmitten der Häuserchaos sieht man noch 
alte Baumgruppen, die Neste jener Bestände, die dem türkischen Emporium gewichen. Die 
morschen Ulmen der Hadschi-Jdris-Mahala und des Bjelava-Viertels, die Edelkastanien 
längs der ganzen gen Süd blickenden Bodenwellen sahen noch die frühere Zeit. Die 
Quartiere auf den Hängen theilen Felder und Wiesen, und üppige Obstbäume füllen die 
Hofräume und die versteckt liegenden Gärten. Die engen, gewundenen Gassen mit den 
dicht aneinander gedrängten Häusern durchstreifend, erblickt man außer auf den ungezählten 
Friedhöfen selten einen Baum; aber von einer Höhe gesehen ist Sarajevo zur Sommer 
zeit im Grün versunken, während die Steinstanken der Berge gelbgrau und braun in 
dem südlich grellen Sonnenlichte brüten. Im Frühlinge, zur Zeit der Pflaumenblüte, 
legt der junge Lenz seinen blendendsten Schmuck auf dieses Städtebild, dem auch der graue 
Winter nichts anzuhaben vermag. Denn dann zeigt die Stadt unverhüllt ihren graziösen 
Bau. Von den hohen Ufern der die Stadt der Länge nach in zwei ungleiche Hälften 
theilenden Miljacka steigt sie fast im Kreise auf. Die flachen Dächer mit ihrer schweren 
eigenartigen Ziegellage erheben sich etagenförmig übereinander, und unter diesen lugen 
die weißgetünchten Häuser mit ihren hölzernen, meist von der Straße abgewendeten Erkern 
und Nischen hervor, die sonst von Baumwipfel und Rebengeranke verhüllt werden. Die 
kahlen Berglehnen deckt freundlich die glitzernde Schneedecke, und in dem reinen Blau
	        
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