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verwüstet, die Einwohner, entmuthigt und ohne Widerstandskraft, hatten die härtesten
Leiden zu ertragen, ihre Zahl verminderte sich außerordentlich. Die verschiedenen
germanischen Völkerschaften, welche damals durch das heutige Gebiet der Steiermark
zogen, hinterließen im Lande keine Schöpfung: es wurde viel verwüstet, aber nichts
Neues geschaffen.
-vie Völkerwanderung begann mit dem Vordringen der Hunnen nach Europa.
Damals (400) zog von Jllyricum aus über Pannonien König Manch mit seinen West
gothen nach Italien, aber er mußte nach Jllyricum zurück; im Jahre 408 unternahm er
einen zweiten Zug nach Italien, wo ihn der Tod ereilte. Durch diese Züge wurde auch
das steil ische Unterland berührt, doch konnte sich die römische Herrschaft in Noricum
behaupten.
Auch als die wilden Hunnen sich in Pannonien ein Reich gründeten und nach
dessen Vernichtung sich die Ostgothen in Oberpannonien festsetzten, blieb Noricum unter
der Herrschaft des weströmischen Reiches, aber die Provinz war von allen Seiten
bedrängt: cm Westen von den Alemannen, im Norden von den Rugiern, im Osten und
Süden von den Ostgothen. Die Provinzialen fühlten sich von Rom anfgegeben, ihr Muth
sank und nur der Zuspruch des heiligen Severin, der in Ufernoricum lebte, unermüdlich
für das Wohl der Romanen thätig war und auch in Binnennoricum als das kirchliche
Oberhaupt betrachtet wurde, hielt sie noch aufrecht. Durch Noricum zog Odovakar mit
seinen scharen nach Italien, wo er den letzten weströmischen Kaiser absetzte (476) und
als Stellvertreter des oströmischen herrschte. Durch Noricum führte derselbe Odovakar
seine Heere gegen die Rugier an der Donau, deren Reich er zerstörte, worauf er die
romanische Bevölkerung Ufernoricums nach Italien abführen ließ. Binnennoricum stand
noch langer unter seiner Herrschaft; als er gestürzt worden war (493), gehörte es zu
dem Reiche, das sich sein Überwinder, der sagenberühmte Ostgothenkönig Theodorich der
Große anfrichtete. Die Stelle der Ostgothen in Pannonien nahmen später die Langobarden
em, die im Jahre 568 ebenfalls ihr Land mit Italien vertauschten, worauf das wilde
Reitervolk der Avaren in den entvölkerten Gegenden zwischen den Karpathen und den
östlichen Ausläufern der Alpen ein Reich gründete.
Als Unterthanen der Avaren drangen gegen Ende des VI. Jahrhunderts die
Slovenen oder Winden, ein slavischer Volksstamm, in das binnenländische Noricnm
also ,u Kram, Steiermark und Kärnten ein und ließen sich da nieder, ja sie erschienen'
selbst m den östlichen Thälern Tirols und gelangten längs der Enns bis in die Gegend
von Steyr und über den von ihnen benannten Semering (Fichtenberg) bis an die
Schwarzau. Was etwa noch aus der Römerzeit übrig geblieben war, ging jetzt zu Grunde.
Tie westlichen Nachbarn der Slovenen waren die Bajuvaren oder Baiern, mit denen sie