324
und indem er den alten Chor wegriß, gewann er Raum, um die Kirche nach Osten um
zwei Joche zu verlängern, über deren letzterem er eine elliptische Kuppel aufsetzte. Die
Nischen in den Kuppelpfeilern mit den kolossalen Heiligenfiguren, die Logen an den
Wänden, die Majestät des abschließenden Hauptgesimses wirken zu einem vollen Gesammt-
accord zusammen, sie zeigen einen Meister, welcher Räume großartig zu gliedern versteht.
Die Schönheit dieser Halle wird leider durch die Monotonie der Weißen Tünche paralysirt;
nur theilweise, nämlich in den 1856 polychromirten zwei Seitenkapellen bekommt man
eine Vorstellung von der Wirkung, die Seiassia für das Ganze beabsichtigte. Sciassia starb
im Stift St. Lambrecht und liegt in der Kirche Maria-Zell begraben. Er ist einer der
bedeutendsten italienischen Künstler, welche auf Steiermarks Boden wirkten, ein Meister,
der mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Einführung her Barocke durch Alessandro
de Verda in dem Alpenthale von St. Lambrecht nochmals die Formen der reinen
Renaissance heraufbeschwor.
In der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts entstand in Graz, offenbar unter
der Führung italienischer Meister, deren Namen wir leider nicht kennen, eine Reihe von
Palästen steirischer Adelsfamilien in der jener Zeit eigenthümlichen Barocke, welche sich
im Gegensatz zu den Bauten der de Lalio'schen Schule des XVI. Jahrhunderts besonders
durch die Anlage großartiger Stiegenhäuser auszeichnen. Im architektonischen Organismus
dieser Bauten circulirt ein Tropfen genuesischen Blutes; wie er hineingekommen, wissen
wir nicht. Wir nennen nur das Eggenberg'sche Palais (Landesgericht), das ehemals
Dietrichstein'sche (Burggasse Nr. 9), das Stubenberg'sche (Neugasse Nr. 7), welche nebst
vielen anderen ein mehr oder minder prächtig entwickeltes Stiegenhans, mit Stucchi und
Fresken geschmückt, aufweisen.
Auch die Stucchirung der Fanden tritt in dieser Zeit in den Vordergrund, wie
denn beispielsweise das „Haus am Lnegg" (Hauptplatz Nr. 11) in dieser Beziehung ein
Unicnm genannt zu werden verdient. Hier verschwinden die Stockwerksgesimse vollständig
und der ganzen Fa^ade bemächtigt sich eine üppige, schwülstige Plastik: Blumen
vasen, schwere Fruchtschnüre, Cartouchen und Muscheln.
Die Kirchenbauten des XVII. Jahrhunderts in Graz und der übrigen Steier
mark sind mit Ausnahme der schon genannten und der schönen Stiftskirche zu Voran
(1660 bis 1662) nicht bedeutend genug, um an dieser Stelle besonders hervorgehoben zu
werden. Unerwähnt dürfen wir aber nicht lassen, daß der als Sohn eines Bildhauers am
20. Juli 1656 in Graz geborene Bernhard Fischer von Erlach, um das Jahr 1688
von seiner Studienreise aus Italien zurückgekehrt, in seiner Vaterstadt sich die Sporen
als Architekt verdiente, indem er die Entwürfe zum Innenausbau des Mausoleums
Ferdinands II. verfertigte.