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ihnen anslaufenden Bergreihen auseinander und machen Raum für eine größere Ebene,
und diese ist von dem Flusse, der Mur, durchströmt, welche, bevor sie die Fläche betritt,
den einen Arm des Hochgebirges durchbrochen hat. An zahllosen Stellen finden wir an
solchen Punkten, wo Flüsse aus engeren Thälern in breitere oder in Ebenen hinaustreten,
größere oder kleinere Ansiedlungen. Und so ist es auch hier, wozu noch der Umstand
kommt, daß unfern der Stelle, wo die Mur den großen Flußdnrchbrnch verläßt, ans dem
breiten, bergumrahmten Becken ein Felskegel emporragt, der gewiß frühzeitig schon die
Aufmerksamkeit der Einwanderer auf diesen Punkt lenken mußte. Und an derselben Stelle,
kaum eine Stunde südlich von dem Austritte der Mur aus den Bergreihen, welche den
Fluß von der Einmündung der Mürz an begleiten, ans jenem Bergkegel und am Fuße
desselben sind die Niederlassungen und Ansiedlungen entstanden, ans denen das heutige
Graz emporwnchs. Es sind nicht steil aufsteigende Wände von Kalk- und Dvlomitmassen,
welche, wie die Karavanken für Klagenfurt und Villach, die Nordalpen für Salzburg,
die tirolischen Kalkalpen für Innsbruck, die landschaftliche Schönheit der Grazer Bucht
begründen, es sind ernste, in einfach verlaufenden Linien dahinziehende Urgebirgsketten,
welche auf drei Seiten, vom Wechsel bis zur Stnbalpe und von da über die Koralpe bis
zum Bacher im weitesten Umfange den Horizont von Graz umschließen; zwischen diesen
aber lagert sich ein vielgestaltiges, von Bächen und Flüssen dnrchrissenes Berg- und Hügel
land, das in den mannigfaltigsten anmuthigen und reizenden, pittoresken und großartigen
sonnen das Auge des Beschauers entzückt, welcher unwillkürlich empfindet, was der
Geologe weiß, daß er hier auf einem nicht nur schönen, sondern auch interessanten Stück
Land steht, daß er sich in einer Übergangslandschaft befindet, die zwischen den grellsten
Gegensätzen in der Bvdenform Europas vermittelt: zwischen den Alpen und der
pannonischen Niederung.
Der Schloßberg war und ist der Kern der Stadt; im XII. Jahrhundert trug er
nachweisbar eine Veste (eastrmri 6rnoes) und unter ihrem Schutze erfolgten die
Ansiedtnngen, welche sich allmälig bis in die Nähe der Mur und bis ans die letzte Berg
terrasse herab erstreckten, auf der die St. Ägydiuskirche (1174 zum erstenmale urkundlich
genannt), die jetzige Donikirche, erbaut wurde. Bald breiteten sie sich bis an den Fluß und
über die zwischen ihm und den letzten Ausläufern des Schloßberges gelegene Flüche ans,
und dieser Theil bildet jetzt noch die innere Stadt; um sie ziehen sich in einem Halbkreise
jene herrlichen Parkanlagen hin, welche den Glanzpunkt der Murstadt bilden und wenige
ihresgleichen irgendwo haben; und jenseits derselben erstrecken sich die neuen Bezirke,
Schöpfungen des XIX. Jahrhunderts, ans dem rechten Ufer vorwaltend mit großen
Jndustriestütten, auf dem linken mit freundlichen, breiten, lichten Gassen und Straßen und
ninlichen Plätzen mit hübschen Häusern und allmälig, je weiter hinaus, desto mehr mit'