GALIZIEN.
Sowohl vom kulturhistorischen als auch kunst-
geschichtlichen Standpunkte aus betrachtet, ist die
galizische Bauernkunst eine der interessantesten Er
scheinungen auf dem Gebiete der Volkskunst. Nur
in wenigen Ländern bewahrte die kunstschöpferische
Eigenart des Volkes eine so urwüchsige Form wie
hier, wo man noch heute in manchen Zweigen der
Hausindustrie Überresten eines längst verflossenen
Kunstschaffens begegnet, welches noch unter den
Voraussetzungen eines patriarchalischen Gesellschafts
systems erfolgte und auf die allerprimitivsten wirt
schaftlichen Verhältnisse und technischen Verrich
tungen basiert war. überraschend ist auch der außer
ordentlich mannigfaltige Motivenreichtum, der aut
diesem verhältnismäßig nicht großen Territorium
vorkommenden Kunstformen, welche als Produkt
verschiedener nachbarlicher und von der Bevölkerung
assimilierter Einflüsse einerseits und autochthoner
Errungenschaften auf dem Gebiete der heimatlichen
Kunst anderseits anzusehen sind.
Zur Veranschaulichung der Eigentümlichkeiten
dieser Volkskunst ist es unerläßlich, einen mindestens
flüchtigen Blick auf jene sozialpolitischen und ethno
graphischen Verhältnisse zu werfen, unter welchen
das galizische Kunstgewerbe erstand und sich fort
entwickelte.
Die galizische Hausindustrie verdankt ihren Ur
sprung größtenteils den Nebenbeschäftigungen der
Landbewohner.
90