Gruppe XXV. Die 'bildenden Künste der Gegenwart. 23
seidener Rock mit kirschrothem Gürtel) den vornehmen Stand andeutet.
Der Kopf, grünlich fahl von Farbe, ist einige Stufen des weissen Mar
morbodens bereits herabgerollt, von welchem letzteren sich eine grosse
Blutlache grell abhebt. Zunächst galt es, ein schweres coloristisches
Problem zu lösen, rothe Töne mit rothen zu combiniren, ohne dass sie
sich gegenseitig abstumpfen. Im Gegentheil; trotz des glänzenden
Hintergrundes bleibt die Gestalt des Henkers doch wirkungsvoll. Um
die Einförmigkeit zu brechen, ist in den unteren I heilen des Bildes
eine reichere Farbenscala angeordnet: Weiss, Grün und Roth, doch auch
hier ist die Rücksicht gebraucht, dass nur die weissen Marmorstufen,
ähnlich wie die weisse Kopfbinde des Henkers die Masse brechen, die
anderen Töne dagegen sich der dominirenden rothen Farbe harmonisch
einordnen, ihre Kraft noch verstärken. Man muss zugeben, dass das
Experiment dem Künstler vortrefflich gelungen ist. Er hat aber noch
ein anderes Experiment angestellt. Eine grauenvolle Scene, die unsere
Nerven angreift und Schauer erregt, hat er in ein lauschendes Fest
gewand gekleidet. Diese Farbenstimmung weckt exaltirte Lust, die
herrschende Scala leuchtender rother und gelber Töne steht in seltsamem
Contrast zu dem Inhalte des Bildes, in welchem insbesondere der noch
krampfhaft zuckende Cadaver und der abgeschlagene Kopf mit lück-
sichstsloser Wahrheit gemalt sind. Lag es in Regnault’s Absicht,
einen wollüstigen Kitzel hervorzurufen, brutale Empfindungen zu näh
ren, so hat er auch diesen Zweck erreicht. Man darf nicht alle Schuld
auf den Künstler allein werfen, der eben nur einer weithin beliebten
Culturströmung folgt, man kann aber diese letztere schwerlich für
gesund halten, ja für um so bedenklicher, über je brillantere Ausdrucks
mittel sie gebietet.
Neben Regnault’s Bilde treten die anderen Werke, welche orien
talisches Leben schildern, ziemlich zurück. Gerome hat ausser einigen
kleinen Gemälden die Moschee El-Assaneyn mit abgeschlagenen und
auf Piken gestellten Rebellenköpfen als Hauptornament und eine Skla
vin, die auf dem Markte feilgeboten wird, ausgestellt. Bei beiden Bil
dern gilt es, durch grelle Contraste — das nackte Sklavenmädchen hat
einen kauernden Neger zur Folie — einen bereits abgestumpften
ästhetischen Sinn zu reizen. Die Odaliske von Henri Levy, dieMekka-
pilger von Belly, die Kabylenniederlage von Boulanger u. s. w. sind
von mittelmässigem Werthe, dagegen die Zeichnung von Bi da, einem
Schüler von Delacroix: Das Refectorium in einem griechischen Klo
ster von unübertrefflicher Wahrheit der Schilderung; die letztere ist
nicht bloss äusserlich wahr, sondern zeugt auch von einem beneidens-
werth sicheren Blick für orientalische Typen.
Neben dem Oriente nimmt die Antike einen hervorragenden Platz
in der Stoffwelt der französischen Künstler ein. Das erste auffällige
Merkmal der Bilder, welche aus der Griechen- und Römerzeit den Ge-