5
OSKAR KOKOSCHKA
ZU SEINEM FÜNFZIGSTEN GEBURTSTAG
D u bist der Heimat abhanden kommen. Sie wirft Dir
vor, daß Du sie fliehst. Du wirfst ihr vor, daß sie
Dich nur „vom Wegschauen“ kennt. Beides ist als Vor
wurf ungerecht. Es ist keine Flucht, wenn man die Welt
sucht, erlebt, gestaltet, die Kunst der Heimat in der Welt
zu Ehren bringt, und „wegschauen“ wird überall der,
dem das Hinaufschauen Beschwerden macht.
Deine Wiener Freunde aber waren es, an ihrer Spitze
Josef Hoffmann und Adolf Loos, die vor dreißig Jahren
dem Jünglinge den Weg in die Öffentlichkeit frei machten.
Und Deine Freunde fanden nicht vom Menschen zu seiner
Kunst, vom Kaffeehaus ins Atelier, sondern von seiner
Kunst zum Menschen; sie fühlten Deine Kunst und wur
den Deine Freunde. Daß sie in der Minorität blieben,
Deine Wesensart vor 25 Jahren nicht erkannt, ja entrüstet
abgelehnt worden ist, konnte Dich nicht kränken. Wie ist
es Gustav Klimt in Wien ergangen, wie Hans von Marees,
den die Münchener auch nur vom „Wegschauen“ kannten,
zu ihrem Grützner aber entzückt hinschauten. Haben nicht
die Pariser die Bilder Manets tätlich angegriffen, die Werke
Cezannes im Salon unentwegt zurückgewiesen? Oder
lies nach, was noch im Jahre 1883 kein geringerer wie
Jakob Burckhardt über Rembrandt von der I.,ehrkanzel aus