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Volltext: Geschichte und Terminologie der alten Spitzen

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ihr Reiz und ihre künstlerische Bestimmung ist eine plastische; 
in prächtigem Faltenwurf, in gross gedachter Drapirung, welche 
hinwieder Licht und Schatten in kräftigem Wechsel darstellt, ent 
wickelt sie eine bedeutende Schönheit, nie eine kleinliche, nie 
auch eine malerische. Wo Ornamente angewendet erscheinen, sind 
dieselben, wie uns das griechische Yasengemälde und die Wand 
malereien der Campanischen Städte lehren, gleichmässig hingestreut 
über die Fläche, nie einseitig vertheilt,. so dass der Faltenwurf 
keinerlei selbständige Zeichnung auf dem Gewände stören kann, 
während bei dem detaillirten Dessin desjenigen, das wir heute 
als Spitze denken, das Gegentheil der Fall sein müsste. Die 
schönste, sozusagen charaktervollste Spitze, zeichnet sich durch 
ihren streng geometrischen Dessin aus, sie müsste einen Wider 
spruch gebildet haben zur plastischen Erscheinung des classisehen 
Costüms; die malerische Spitze aber, mit freierer Ornamentation, 
etwa wie jene der Niederlande, hätte nicht minder contrastirt, 
wennauch aus anderen Ursachen. 
Gehen wir von der Antike zu den Barbaren und dem Mittel- 
alter Uber, so betreten wir nur neuerdings unfruchtbare Gebiete 
für die in Rede stehende Frage. Der hier bemessene Raum erlaubt 
mir nicht, die sehr zweifelhaften Nachrichten zu untersuchen, 
welche bald von einer sogenannten Goldspitze reden, welche in 
einem altscandinavischen Grabe gefunden worden sein soll, bald 
von verkohlten Resten eines spitzen artigen Masehennetzes, aus 
Pfahlbauer-Ansiedelungen herrührend. Im Mittelalter dann sehen 
wir zwar die Stickerei in ihren verschiedenartigsten Erscheinun 
gen und technischen Fertigkeiten von Frauenhänden und seitens 
der Handwerkerzunft gepflegt, welche in Deutschland Seidennater, 
in Italien ricamatori genannt wurde, aber die Spitzen , ja selbst 
die Weissstickereien existiren in einem künstlerisch bedeutenden 
Sinne noch nicht. Die Tracht dieser Epoche ging in ihrem ästhe 
tischen Abzielen sowohl im Byzantinischen Reiche als im Abend 
lande durchaus auf das Bunte, die Wäsche war kaum wesentlich 
ein Factor der Kleidung, den Altar bedeckten noch kostbare 
Stickereien in Gold und Seide, an deren Stelle erst eine spätere 
Zeit das Linnenzeug setzte, alles Momente, unter deren Herrschaft 
wir uns das Aufkommen des Spitzenfaches nicht als möglich vor-
	        
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