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Volltext: Geschichte und Terminologie der alten Spitzen

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So nehmet hin, ich bitte schöne Frauen, 
Was ich an Mustern hier euch geb’ zu schauen, 
Jagt Langweil damit fort und nährt den Sinn. 
Ihr lernt so viel aus diesen neuen Dingen, 
Dass ihr die Meisterschaft wohl könnt erringen, 
s’ gibt frohe Müh’ und trefflichsten Gewinn.“ 
Die Auflage vom Jahre 1623 ist der Königin Anna, geb. öster 
reichischen Princessin, gewidmet und spricht die Fürstin in der 
Widmung folgendermassen an: „Was dieses Buch enthält, ist die 
Erfindung einer Göttin und die Unterhaltung einer Königin. Sie 
sind ebenso Königin aller Fertigkeiten als Königin zweier Reiche.“ 
Die hier in Rede stehende Spitzenart bezeichnet, obwohl sie 
sich ziemlich weit in’s 17. Jahrhundert hinein erhalten hat, die 
eleganteste und zugleich künstlerisch hervorragendste Periode 
des Renaissance-Costiimes, dessen edel massvolle Gestaltung in dem 
strengen, wennauch brillanten Schmuck des geometrischen Spitzen 
werkes das fröhlichste Relief erhält. Es bildet der zierlich eben- 
mässige point coupe zu der Tracht venezianischer und florentini- 
scher Adeliger im 16. Jahrhundert einen ebenso harmonischen 
Rahmen, wie etwa der naturalistisch dessinirte, weichfaltige und 
geschweift zugeschnittene Spitzenkragen des 17. zu dem etwas 
wildmalerischen Costüme aus der Zeit des 30jährigen Krieges. 
Die Formen des Ornamentes an jenen alten points coupes sind 
viel zu künstlerisch schön und stylvoll, als dass ihnen die Gleich- 
mässigkeit, in welcher sie auftreten, den Vorwurf der Monotonie 
eintragen könnte, aber es verleiht ihnen der übereinstimmend 
typische, in immer wiederkehrender Weise verwandte Charakter 
doch etwas abgemessen Zierliches, eine gewisse wohlabgewogene 
Schönheitserscheinung, welche auch in andern Dingen jener Zeit, 
z. B. in ihrer gleichfalls höchst stylvollen, aber wenig farbreichen 
und abwechslungsreichen Musik oder ihrer Tanzweise an den 
Tag tritt. Es lebt ein schier architektonisch strenges Element in 
dem festaussehenden, entschiedenen Sparrenwerk dieser geome 
trisch-symmetrischen merletti, aber schier eher in dem Sinne, als 
ob hier noch ein Stück der sonst in der Kunstwelt erstorbenen 
Gotliik mit ihrer eisernen Constructivität nachleben wollte. Wer 
die Nobilibildnisse der venezianischen Schule kennt, der weiss, 
welch’ ernsten Rahmen diese wie makroskopische Schneekrystalle
	        
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