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Fig. 3.) Neben diesem architektonisch strengeren Genre wurde in
Genua aber auch jenes der langen saumartigen Besätze eifrig
gepflegt, dasjenige also, was man früher passement, dann aber
guipure nannte, letzteres ein Terminus, welcher heutzutage gänz
lich schwankend, theils fälschlich auf alte Spitzenformen, denen
er nicht gebührt, theils auf moderne Imitationen im alten Ge
schmack willkürlich angewendet wird. Die Spitzenkunde existirt
noch nicht als Wissenschaft und dieses vorzugsweise aus dem
Grunde eben, weil ihre Terminologie noch nicht festbegründet
ist, zu welchem Zweck vor allem die alten Inventare in sach
kundiger Weise ausgebeutet werden müssten. In diesen begegnet
der Ausdruck guipure meist zur Bezeichnung dessen, was der
Name point - lace in modern em Sinne sagen will, nämlich
Spitzenbordüren, in denen die Umrisse der inneren Zeichnung
von einem schmäleren oder breiteren Band contourirt sind, sei
es, dass dieses mit der Nadel oder au.fuseau ausgeführt sei. Es
wäre dies also dasselbe, was die alten deutschen Quellen mit
dem Ausdrucke Litzenspitze meinen, hat ja doch lace und Litze
auch sprachlich dieselbe Wurzel. An Genueser Guipuren dieser
Art bildet den Fond meist ein Zellengrund von reseaux, sechs- oder
achteckig, auf dem dann in schöner und schwungvoller, doch stets
massvoller Zeichnung ein Muster von Rankenwerk sich verbreitet.
Endlich darf auch nicht übergangen werden, dass mit der
Genuesischen Spitze frühzeitig eine besonders reizende Gattung
Fransenwerk in Verbindung trat, die sogenannte Macrame,
welche ihrer Form im Allgemeinen, aber deswegen nicht auch als
Spitzenbestandtheil, den Arabern entlehnt ist. Die unläugbare
arabische Abstammung des Namens Macrame beweist Nichts für
die Derivation des gesummten Spitzenfaches vom Orient, denn es
sind nur arabische Fransen an Kleidern u. dgl., welche hier —
aber bei den Genuesern zum erstenmal als Spitzen Nachahmung
gefunden haben.
Die Fäden der Gewebekette wurden bei dieser Technik an
beiden Enden ein Stück breit von den Schussfäden durch Aus
ziehen der letzteren frei gemacht und dann mittelst Verknüpfung
zu allerlei rautenförmigen oder sonst geometrisch figurirten Ver
bindungen vereinigt, als welche sie in Form von Fransen herab-