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mütterliche Erde berührt. Muttererde für den Orientalismus in der
europäischen Kunst, das verdient eben die besperische Halbinsel
genannt zu werden, aber wir glauben trotzdem nicht uns zu jener
Hypothese bekennen zu müssen, wenn auch dieses einst maurische
Spanien Spitzen, und zwar sehr hervorragende Spitzenarbeiten,
producirt hat. „Wie ein Spitzengewebe“ pflegt man sprichwörtlich
die zarten und krausen Verschlingungen und Durchdringungen
an den Gewölben der unvergleichlichen Alhambra zu nennen, ein
Vergleich, gegen den so ziemlich nichts einzuwenden ist, wenn
nur nicht etwa an maurisch-spanische dentelles dabei gedacht
werden soll. Ich halte vielmehr dafür, dass Spanien seine Spitzen
zum Theil von Italien empfangen hat, und zwar zur selben Zeit
und durch denselben Process, wie von daher ihm die gesammte
zweite Blüthe seiner Kunst im Verlauf des 16. Jahrhunderts be-
scheert worden war, als aus seinen Gauen strebsame Jünglinge
in die Ateliers Tizian’s, Rafael’s, Michelangelo’s, später der Caracci
und der finstern Neapolitaner unter Caravaggio’s Einfluss gezogen
und von dort, als Verbreiter einer neuen von der früheren den
Niederländern entlehnten Kunst des Landes verschiedenen Richtung
nach Hause kamen. Es ist die Periode der Wende, in der das
Mittelalter der neuen Zeit das Scepter in die Hände gibt und unter
dem Voraustritte von Wissenschaft und Kunst das gesammte ge
sellschaftliche Leben mit all’ seinen Sitten und Gewohnheiten eine
veränderte Gestalt und damit veränderte Bedürfnisse annahm.
Damals zog auch in Spanien die Nadelspitze aus Italien ein, zu
welchem Lande, abgesehen von den Künstlern, auch die Spitzen
der Regierung, das königliche Haus selbst in so engen Beziehungen
stand, und dessen Landschaften das spanische Regiment durch
solange Zeit in Krieg und Frieden kennen gelernt hatte. Weil
aber ganz dasselbe früher und auch in eben dieser Zeit zwischen
Spanien und den Niederlanden der Fall war, jenen gewerb- und
kunstfleissigen nordischen Provinzen der spanischen Majestät, die
schon im 15. Jahrhunderte ihre van Eyks, Rogier van der Weyden
und Memmelinghe’s nach dem Ebro geschickt hatten und ausser
dem, wie wir hören werden, Ausgezeichnetes in Spitzenarbeit zu
leisten verstanden, — aus diesem Grunde stimme ich anderer
seits mit der verdienten Geschichtsschreiberin der dentelle, Mrs.