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Volltext: Geschichte und Terminologie der alten Spitzen

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heute unter Fond Chantilly verstehen, ist nichts anders als jener 
fond chant mit seinen Sechsecken, zwischen denen kleine Drei 
ecke eingefügt sind. Man nannte ihn endlich fond champ, wegen 
der Entstehung dieser Spitzenart am Lande ausserhalb Paris. 
Chantilly excellirte dann im 18. Jahrhundert besonders mit 
schwarzen Spitzen von blondenartigem Charakter, deren Dessins 
schon ganz naturalistisch entworfen sind. Die Herzogin von Lon- 
gueville, Caterine de Rohan, war die Gründerin dieser Industrie 
zu Beginn des 17. Jahrhunderts, stiftete Schulen und berief Arbei 
terinnen aus Havre und Dieppe. Die Blonde, dieses zarteste Product 
der Spitzenfabrikation, gedieh hier auf das zierlichste und im 
weich es ten Seidenglanze des Materials. Chantilly, welches heute 
wieder 10.000 Arbeiter beschäftigt, war zur Zeit der Revolution 
entvölkert, als die wahnsinnige Wuth des Volkes soweit gediehen 
war, seine Brüder, wieder ouvriers und Söhne des Volkes, auf 
die Guillotine zu liefern, weil sie Spitzen fabricirt hatten für die 
— Königin. 
Die Normandie repräsentirt durch Caen, le Havre, Bayeux 
und Dieppe in älterer Zeit unser Fach nicht minder brillant. Anden 
Meeresküsten bildete seit dem 16. Jahrhundert die Spitzenklöp 
pelei die alleinige Beschäftigung der Fischerfrauen und Mädchen, 
deren man im Jahre 1692 zwei und zwanzig Tausend zählte. Die 
malerische Tracht der Normannischen Bäuerin mit dem hohen 
Spitzenkogel am Haupte, von dem grosse Spitzenborten schleier 
artig herabwallen, ist bekannt; aber man fertigte auch Spitzen 
für die städtische Mode in zahlreichen Orten der Provinz. Colbert 
baute auf die alte Industrie von Havre seinen Plan, um damit 
ein Gegengewicht gegen jene der Niederlande zu finden. Die Spitze 
von Dieppes schloss sich an das Vorbild des Valenciennes, auch 
der Malines an; in der sogenannten dentelle ä la Vierge, welche sich 
durch einen unendlich feinen, aus zierlichen Sternchen zusammen 
gesetzten Fond auszeichnet, hat sie eine sehr seltene jetzt abge 
kommene Abart. Ein anderes, vorzüglich feines Muster, nannte man 
Poussin. Caen endlich lieferte im vorigen Saeculum die schönsten 
Blonden, wozu man chinesische Seide aus Nanking verwendete. 
Sie übertreffen jene von Chantilly an Qualität des Materials und 
Delicatesse der Technik, standen ihnen aber im künstlerischen
	        
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