JET
Eine Besonderheit böhmischer Glaskunst war immer das schwarze Glas. Die
Bewunderung, die ein große Platte von Buquoy aus schwarzem Hyalith hervorrief
(Neuwirth, Farbenglas 1993, S. 51), wurde auch der „Basalt-Ware“Wedgwoods zuteil.
Dieser Begriff war in Böhmen nicht unüblich: Schon Liechtenstern erwähnt eine
„Basalt-Glaswaaren-Fabrik“ in Morchenstern (Liechtenstern 1822, S. 158, 159), und
Franz Riedel stellte 1829 in Prag „Eine Pyramide von schwarzem basaltartigen Glas,
als Denkmahl der Schlacht von Leipzig“aus (Prag 1829, Protokoll 1831, S. 34).
In der Bijouterie und Besatzsteinindustrie (Zentren waren Gablonz, Tannwald und
Eisenbrod) setzte sich später allerdings der Begriff „Jet“ durch, den Bücher
folgendermaßen charakterisiert:
„Gagat, Jet, tiefschwarzer glänzender Halbedelstein, welcher zu Trauerschmuck etc. verarbeitet
wird, gehört zur Braunkohle oder zur Steinkohle (Kännelkohle); die Imitationen aus Glas oder
Hartgummi sind kenntlich, die ersteren an der Schwere und (bei Berührung mit der Zunge) an
der höheren Temperatur, die letzteren an dem Grauwerden“ {Bücher 1883, S. 130).
Phonetisch fast ein Gleichklang, wurde der „jais noir“in Form schwarzer Glasstifte auf
einem großen Adler von Unger verwendet (Wien 1845, Lloyd 1845). „Bijouterie=Jais“
ist in der Literatur des späten 19. Jahrhunderts als Synonym für Schmuck aus
schwarzen Steinen geläufig (Gablonz 1896, S. 86), und die „schwarze Branche“
(„schwarze Bijouterie“, „schwarzer Hutschmuck“ etc.) umfaßte schließlich alle jene
vielfältigen Erzeugnisse, für die schwarze Perlen und Steine verwendet wurden:
Posamentrie, Hutschmuck, Broschen, Armbänder, Ohrringe usw. Die schwarzen
„Kittsteine“ sollen um 1868-1869, nach französischen Vorbildern (den „articles de
Paris“), in Gablonz entstanden sein; durch den deutsch-französischen Krieg stieg die
Nachfrage nach dieser „schwarzen Bijouterie“ aus Böhmen und ging um 1896
vorübergehend stark zurück (Gablonz 1896, S. 86, 87). Um die Jahrhundertwende
war die Besatzsteinindustrie ein wichtiger Produktionszweig der Glaskurzwaren
industrie des Isergebirges, wie Winter und Tayenthal berichten:
„Unter Besatzsteinen faßt man alle aus verschiedenfärbigem, zumeist aber aus schwarzem Glas
erzeugten Glassteinchen zusammen, die als Hutbesatz und zu Posamenterien verarbeitet, zu
meist auch zu Toiletten verwendet werden ... Ihre Form ist mannigfaltig: durchlochte Druckperlen
(Flüssel), Sechsecke, Vierecke, Sterne, Spitzovale, Birnl, Kreuze, Kleeblätter, Pfeile und Hun
derte anderer Figuren und Formen, die sich allgemein verständlich nicht speziell bezeichnen las
sen, werden hier In den Größen von 1 Vs bis 6 Linien in den Druckhütten von Labau, Pintschei,
Gistei, Schwarzbrunn etc. im kleingewerblichen Betrieb und in den tschechischen Dörfern des
Semiler und Turnauer Bezirkes im hausindustriellen Betrieb über der Oellampe gedrückt. Wir ha
ben es bei einer Gesammtzahl von etwa 3000 männlichen und weiblichen Arbeitern (Drückern,
Anfädlerinnen, Anhefterinnen) in der Besatzsteinindustrie also mit zwei verschiedenen Betriebs
formen zu thun: mit der kleingewerblichen und mit der hausindustriellen... “(Winter 1900, S. 13).
„Eine zweite Gruppe der Gürtlerei bilden die Gürtler in den Orten Kukan, Seidenschwanz, Neudorf,
Labau, Marschowitz, Dalleschitz, Puletschnei, Reichenau und Radi, südlich und südöstlich von
Gablonz, fernerauch in Schlag, Morchenstern, Ober-Tannwald, Albrechtsdorf und Georgenthal,
östlich von Gablonz. Hier werden meist nur die minderen Artikel des Gürtlergewerbes hergestellt,
namentlich aber Hutschmuck, Jet. u. dg!., die sogen. Schwarzarbeit. Diese Industrie wurde vor ca.
20 Jahren von einem Tannwalder Glaswarenerzeuger aus Thüringen in das Isergebirge gebracht
und mit derzeit daselbst vervollkommnet. In diesem Zweige finden sich nur etwas über 100 steu-
erzahlende Meister mit etwa 250 Gehilfen und ca. 90 Lehrlingen. Daneben besteht eine ziemliche
Anzahl nichtangemeldeter handwerksmässiger Betriebe kleinster Kategorie und zahlreiche haus
industrielle Behebe. Im ganzen sind in diesem Zweige etwa 1000 Personen beschäftigt...
Speziell durch Lampendruck, daneben nur auch in wenigen Druckhütten, werden ferner noch
hergestellt eine Reihe kleiner Schwarzglasartikel, die hauptsächlich als Besatzsteine in der Po
samentierindustrie Verwendung finden,... Ihr Absatz ist ein ziemlich konstanter und finden sie
stetig Aufnahme in der Posamentierindustrie des Erzgebirges, sowie in jener von Wien und Paris
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