SPRENGPERLEN, HACKEPERLEN
Unter „Sprengperle“ im engeren Sinn kann wohl nur jene Perle verstanden werden,
die durch das „Absprengen“ vom Rohprodukt (Stangen, Röhren, Stängel) entstand; im
allgemeinen Sprachgebrauch hat sich der Ausdruck „Sprengperle“ im weiteren Sinn
jedoch auch für jene Perlen eingebürgert, die durch Schneiden oder Hacken
entstanden; der Ausdruck „Hackebissel“ für die „Sprengperle“ ist daher in gewisser
Weise ein Widerspruch in sich, dieser Terminus hat sich jedoch allgemein
durchgesetzt. Zutreffender wäre daher in jedem Fall die Bezeichnung „gezogene
Perle“, die auch die englische Fachliteratur unter dem Ausdruck „drawn bead“ kennt
(Karklins 1985, S. 88); Grundlage für das Ausgangsprodukt ist ein Ziehvorgang, der
früher bereits beschrieben wurde. Nach dem Ziehen der massiven Stangen und
hohlen Röhren, der kleineren Stängel („Stengel“, die entweder massiv oder hohl sein
konnten), erfolgte die Weiterverarbeitung. Die massiven Stangen waren für den
Drücker bzw. die Druckhütten bestimmt und wurden für diese in entsprechenden
Längen geteilt (ca. 1-1,5 m); die hohlen Röhren konnten beachtliche Durchmesser
erreichen (soferne sie z. B. für die Bangles-Produktion bestimmt waren).
Die Stängel von geringerem Durchmesser waren entweder röhrenförmig (hohl) und
dünnwandig und damit das Halbfabrikat für den Glasbläser, der die Hohlperle
herstellte, oder es handelte sich um dickwandigere gelochte bzw. ungelochte Stängel.
Sie wurden nun durch Schneiden, Hacken oder Sprengen in einzelne Abschnitte
zerteilt, die der gewünschten Perlengröße entsprechen mußten. Dies konnte durch
verschiedene Techniken geschehen, wobei grundsätzlich zwei zu unterscheiden sind:
einerseits jene aus Murano und Venedig, die auf dem Zerhacken der Stengel basiert,
und andererseits jene aus Böhmen, die sich des Absprengens bedient.
Die meisten Rocailles oder Stifte der perlengeschmückten Arbeiten vom Biedermeier
zum Art Deco (Abb. 94-98, 102, 105-108, S. 150, 151, 154, 155, 161, 164-167)
lassen nicht erkennen, ob es sich um venezianische oder böhmische Erzeugnisse
handelt - in den Fachgeschäften wurde beides geführt und je nach Bedarf verkauft.
Wiener Glasperlen-Händler wie M. Mayerhofer offerierten ein
„Lager aller Sorten böhmischer und Venetlaner Glasperlen, franz. Gold-, Silber- und Stahlperlen,
Sortiment von franz. und böhmischen Hut-Agraffen und sonstigen Aufputz-Artikeln für Damen
hüte“ (Stehlik 1877-78, Spalten 530-531).
Ähnlich gut sortiert war die Firma Brüder Pschikal in Wien mit einem großen Lager
„von böhmischen und Venetianer Glasperlen, französischen Gold-, Silber- u. Stahlperlen aus
den renommirtesten Fabriken des In- u. 4us/ancfes"(Stehlik 1877-78, Spalte 530).
S. Spitzer & Comp., Fabrik von Glasbijouterien, Perlen und Knöpfen in Gablonz, hatte
eine Niederlage in Wien, ebenso Joh. Wawra & Söhne in Morchenstern, die „Knöpfe,
Perlen, Colliers, Garnituren, Brochen, Ohrgehänge etc.“erzeugten (Stehlik 1877-78,
Spalte 531). Albert Goldzieher fungierte als
„Fabriks-Lager venediger und böhmischer Schmelze. Glasperlen aller Art. Fabrikation von Glas-
und Bronce-Bijouterien, Schnallen, Agraffes und Jais-Hutschmuck“ (Stehlik 1877-78, Spalte
533, 534).
Im Wiener Geschäfts-Jahrbuch von Stehlik werden ein Jahr später die Perlen der
Firma Albert Goldzieher genauer bezeichnet:
„En gros-Lager von Stickperlen und Venediger-Schmelzen in allen Farben und Grössen; von
böhmischen Perlen aller Art als: Hohl-, Spiegel-, Coral- und Wachsperlen, Sprengperlen, gemal
ten; Folio-, Druck- und Stiftenperlen; schwarzen und farbigen Aufputzperlen“(Stehlik 1878-79,
Spalte 602).
In der Rubrik Glasschmuck wird Goldzieher nochmals erwähnt, und zwar für
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