Fuße zu drehenden Schleifzeugen (Trempelzeugen). In dem letzten Viertel des vorigen Jahrhun
derts waren die Steinschleifer in Kukan schon sehr zahlreich.
Von Tu mau verpflanzte sich die Compositionserzeugung um die Mitte des vorigen Jahrhunderts
nach Uehenau. Da aber dort nicht, wie in Turnau, die Steine „fertig gemacht,“ das heißt qe-
schliffen werden konnten, wendeten sich die dortigen Compositionserzeuger und die aus densel
ben hervorgegangenen Steinhändler ebenfalls nach Gablonz, daselbst ihre Steine schleifen las
send. Durch diesen Umstand kam erst die Gablonzer und Kukaner Steinschleiferei in Blüte in
dem sie nun nicht mehr von der Gnade der Turnauer Steinschneider abhieng. Nun bekamen’die
Gablonzer Schleifer nicht mehr bloß die großen, sondern alle Sorten Steine zum Schleifen. Von
iebenau aus mag wohl auch die Steinschneiderei inReichenau eingeführt worden sein. Die
selbe hat sich dort sehr ausgebildet, so dass jetzt in Reichenau thatsächlich die feinsten Steine
im ganzen Bezirke geschnitten werden, und es eines Kennerblickes bedarf, viele derselben von
den wirklichen Edelsteinen zu unterscheiden. Mit der Steinschneiderei beschäftigen sich gegen
wärtig in Reichenau über 200 Personen. y
Die Glas= oder Compositionssteine sind nicht nur ein Hauptfaktor für unsere Gürtlerei sondern
auch ein wichtiger Exportartikel nach Deutchland, Russland, Frankreich, England Amerika dem
Orient u. s. w. In der Erzeugung derselben steht der Gablonzer Bezirk in Oesterreich ohne Con-
currenz da und hat überhaupt nur einen Theil Westdeutschlands und Frankreichs als Rivalen zu
bekämpfen. Die imitirten Edelsteine werden in allen Farben der wirklichen Edel= und Halbedel
steine erzeugt, als: Diamant, Rubin, Saphir, Topas, Granat, Smaragd, Hyazint, Beryll, Chrysolit,
Carneol, Chalcedon, Achat, Opal, Onix, Amethyst, Türkis u. s. w. Auch in Bezug auf den Schliff
ist man den Formen der Edelsteine ziemlich treu geblieben; die gebräuchlichsten Formen sind
Carmoisiere, Rosetten, Rauten, ovale Rosetten, Quadraten und lang viereckige mit scharfen
° u abgestumpften Ecken, Triangles, Tropfenförmige, Spitzeliptische u. s. w. Diese sind wieder
nach den Schliffen in Abtheilungen gesondert und man unterscheidet zwei=, drei= vier= fünfma
lige, rautig=, halbrautig=, oder treppig=geschliffene Steine. Alle diese Sorten treten aber wieder in
verschiedenen Qualitäten auf, welche entweder durch die Sorgfalt oder Regelmäßigkeit des
Schliffes, oder durch die Art des „Polirens“ bestimmt werden. Die Politur geschieht entweder
durch Glühen im Feuer, oder durch nochmaliges Schleifen der geschliffenen Flächen auf einer
Holz= oder Zinnscheibe. Die feuerpolirten Steine bilden die geringste Qualität; die bessere sind
die holz= und die beste die zinnpolirten Steine. Letztere werden einfach „Zinnsteine“ genannt. Es
werden jedoch auch Steine erzeugt, welche durch Verbindung der Feuer= und Holzpolitur ihren
Glanz erhalten.
m vorigen und theilweise noch im Anfänge dieses Jahrhunderts hatten aber die Steinschleifer
keine so leichte Arbeit wie jetzt. Denn damals wurden die Steine, beziehungsweise die Compo-
sitionen, nicht in Formen gepresst (gedrückt), in welchen sie die bestimmte Gestalt und Größe
erhalten, sondern die Steine mußten aus den in Stücke geschlagenen Compositionen durch die
Schleifer mühsam geformt werden. Diese Arbeit erforderte aber eine große Kunstfertigkeit und
es hielten sich deshalb die damaligen Schleifer sämmtlich für Künstler, hiernach ihr Betragen ge
genüber den Abnehmern wie auch den Nichtschleifern regelnd. Da sie nun aber trotz ihrer ge
werblichen Kunstfertigkeit größtentheils gänzlich ungebildete Leute waren, gab ihr Dünkel und
Eigensinn zu den ergötzlichsten Scenen Veranlassung. Was verlangt wurde, arbeiteten sie
„grade nicht, sondern nur das, wozu sie eben Lust hatten; sie wussten eben, dass sie alles
an den Mann bringen konnten. Wagte es aber ein Abnehmer, ihnen Vorstellungen zu machen
oder gar Ausstellungen an ihrer Waare, so konnte er von Glück sagen, wenn er dieselbe nicht
in s Gesicht geliefert bekam.
Durch die Erfindung des „Drückens“ der Steine in Formen wurde die Steinschleiferei zum ge
wöhnlichen Gewerbe herabgedrückt. In Turnau übte man das Pressen bereits im vorigen Jahr
hunderte, bewahrte aber das Geheimnis desselben auf’s strengste. Trotzdem mochte es aber
doch einem gewissen Endler aus Gablonz gelungen sein, etwas hievon zu erspähen, denn
derselbe errichtete gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die erste Druckhütte in Gablonz. Die
ser Endler, unter dem Namen „der alte Drücker“ bekannt, mochte etwa um’s Jahr 1760 geboren
sein und war gewissermassen ein Genie. Unnahbar wie ein Adept, saß er in seiner aus Brettern
zusammengeschlagenen Druckhütte außerhalb des Orts, jegliche Störung durch Neugierige
barsch zurückweisend. Was er zur Ausführung seiner in das tiefste Geheimnis gehüllten Speku-
ationen an Werkzeugen bedurfte, machte er sich selbst. Eben so eigensinnig aber als genial,
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