Wahrscheinlich noch etwas früher als die „geblasenen“ Perlen mochten die „gesprengten“ (sog.
Hackebissel) in unserer Gegend erzeugt worden sein. Um das Jahr 1500 fertigten schon die
Deutschen in Murano bei Venedig Glasperlen in Röhrenform aus verschiedenfärbigen hohlen
Glasstängeln, welche sich von unseren Sprengperlen nur durch ihre größere Feinheit unter
scheiden. Schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts stand die Erzeugung der Sprengperlen in
Morchenstern und Neudorf in Blüte. Die damals erzeugten Sprengperlen waren aus run
den Glasstängeln, eckige Perlen gab es zu jener Zeit noch keine. Von Morchenstern verpflanzte
sich dieser Industriezweig nach La bau und weiter. Um das Jahr 1812 starb in Morchenstern,
Ortstheil „Hirschwinkel“ ein Sprengperlen=Erzeuger, beziehungsweise =Händler, Namens
Anton Posinke. Dessen Wittwe heiratete im Jahre 1812 ein gewisser U rb an aus Be ran
bei Zasada, welcher sich auf die Sprengperlen=Erzeugung verlegte, und das Posinkische Ge
schäft fortführte. Durch ihn wurde dieser Industriezweig in die Gegend von Labau verpflanzt.
Dort war nach dem Eingehen der Glashütte und dem Rückgehen der HohlglasHndustrie die Be
völkerung in eine sehr misliche Lage gerathen, und begrüßte deshalb die neue, lohnende Be
schäftigung auf das freudigste. Außer der Gegend von Labau hat sich die Sprengperlenerzeu-
gung am stärksten in Neudorf eingebürgert, so dass in genanntem Orte der weitaus größte
Theil der Bevölkerung durch diese Industrie beschäftigt ist.
Die Erzeugung der Sprengperlen geht in der Weise vor sich, dass hohle Glasstängel mittels ei
ner rotirenden messerscharfen Steinscheibe in kleine Stücke gesprengt werden. Die so gewon
nene Perle kommt nun entweder in diesem rohen Zustande in den Handel, oder sie wird durch
Schmelzen und Schleifen in bessere Gattungen umgewandelt und führt dann die Namen
Schmelz, Doppelschmelz, 2malige, 3m., 5m. facettirte gesprengte Perlen. Eine fer
nere Verzierung wird durch das Versilbern der Innenwände der hohlen Glasstängel hervorge
bracht, wodurch die Perlen einen silber= und bei gelbem Glase goldähnlichen Spiegelglanz er
halten. Dieses Verspiegeln gesprengter Perlen wurde im Jahre 1853 in Morchenstern erfun
den, wo es ein fremder Commis den Perlenerzeugern lehrte. Die verschiedenen Schmelzperlen
sorten werden erst seit dem Jahre 1860 in der Gegend angefertigt, und zwar in Nachahmung des
venetianischen Schmelzes. [Diese Daten über die SprengperlenHndustrie nach gütigen Mitthei
lungen des Herrn Blaschek aus Morchenstern, dem ältesten der jetzt lebenden Perlenerzeu
ger] Abgesehen von der Farbe gibt es wohl an 50 verschiedene Sorten Sprengperlen. Für ein
zelne dieser Sorten sind constante Abnehmer: Russland, die Türkei, Serbien, Rumänien, Un
garn mit seinen Nebenländern u. s. w. Andere Sorten, wie der Einfache und Doppelschmelz, sind
Modeartikel, deren Preise bei günstigen Geschäftsconjunkturen eben so rasch enorm steigen,
wie bei ungünstigen tief fallen.
Eine dritte Art Glasperlen wird in Formen gedrückt und heißen deshalb Druckperlen. Diesel
ben sind massiv und mit einem kleinen Loch versehen, durch das ein dünner Faden zum Anrei
hen gezogen wird. Sie sind natürlich viel schwerer als die hohlen Perlen und ist deren Erzeugung
weniger ein Gegenstand der Hausindustrie als die der andern, da sie gewöhnlich in den Schleif
mühlen geschliffen werden. Die Druckperlen sind ebenfalls ein alter Artikel in unserer Gegend
und sollen zuerst in Gablonz erzeugt worden sein, obwohl sich das „Wann“ ihrer ersten Erzeu
gung nicht genau ermitteln ließ. Gegenwärtig ist der Hauptsitz der Druckperlen=Erzeugung die
Johannesberg=Josefsthaler Gegend.
Auch die Malerei machte sich die Gablonzer Glaskurzwaarenindustrie frühzeitig dienstbar.
Schon im Anfänge dieses Jahrhunderts werden hier Maler erwähnt; wenn dieselben auch mehr
Hohlglas malen oder vergolden mochten, ist doch bekannt, dass zu jener Zeit schon verschie
dene Glaskurzwaaren bemalt wurden. Eine Spezialität derselben wurde in Seidenschwanz er
zeugt, es waren dieß aus Fensterglas geschnittene runde Scheibchen, auf die von Blattgold ein
Blümchen aufgelegt und dann mit Gummifarbe überzogen wurde. Dieselben verwendete man zu
Medaillons und verbesserte diese später, indem man auch Heiligenbildchen auf die Scheibchen
malte, wodurch sich der Absatz der solcherart erzeugten Medaillons besonders an die Wall
fahrtsorte enorm steigerte.
In Gablonz wurden in den 1820er Jahren schon hohle Perlen mit Malerei dekorirt. Später wurden
der gemalten Glasartikel immer mehr, aber erst in den 1860er Jahren gewann die Malerei bei der
Glaskurzwaarenerzeugung jene Bedeutung und erklomm jene Stufe, die sie gegenwärtig ein
nimmt. Außer Gablonz gibt es in W i e s e n t h a I die meisten Glasmaler; ein großer Theil der
selben stammt aus der Haidaer Gegend, wo sie sich früher mit dem Hohlglasmalen befasst.
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