Adolf Lilie : Der politische Bezirk Gablonz, Gablonz a. N.,1895, S. 161 ff.
Die Hauptbedingung zum Fortbestände der hiesigen Industrie bildet das Glas, zu dessen Erzeu
gung im Gebiete der Gablonzer Bezirkshauptmannschaft mehrere Glashütten bestehen, welche
zumeist im Besitze der r-amilie Riedel ... sind und durch die Firmen Josef Riedel (Polaun),
Karl Riedel (Josefsthal) und Leopold Riedel (Reinowitz) betrieben werden. Die erstere Fir
ma, nach dem am 24. April 1894 verstorbenen Josef Riedel durch dessen Söhne Wilhelm, Otto
und Josef vertreten, besitzt im Gablonzer Bezirke die Glashütten in Polaun, Prschicho-
witz, Maxdorf und Neudorf, außerdem im Friedländer Bezirke die Glashütten in Wilhelms
höhe. Die Firma Karl Riedel besitzt eine Glashütte in Hinter=Josefsthal und ist Pächterin
der gräflich Desfourschen Hütte in Josefsthal. Seit dem im Jahre 1892 erfolgten Ableben Karl
Riedels sind dessen Erben Inhaber der Firma. Leopold Riedel hat zwei Glashütten in R e i -
nowitz. Eine weitere Glashütte (bis 1881 Compositionsbrennerei) besitzt Josef Priebsch in
Grünwald. Sämmtliche Glasöfen in den genannten Glashütten sind nach Sieberschem Sy
steme erbaut und, mit Ausnahme der Desfourschen, auf Braunkohlenfeuerung eingerichtet. Das
in den Glashütten durch Zusammenschmelzen verschiedener Materialien gewonnene Glas wird
entweder direct vom Ofen in die fertige Form gebracht oder in den Orten des Bezirkes, sowie
meilenweit über diesen hinaus, auf die verschiedenartigste Weise weiterverarbeitet.
Zum größten Theile wird es in massive stärkere Stangen oder schwächere Stängel gezogen und
in dieser Form an die Glasdrucker und Lampenarbeiter abgegeben; oder es werden hohle Stän
gel erzeugt, welche die Perlenbläser oder die Sprenger weiter verarbeiten. Auch werden in den
Glashütten große, schwachwandige Kugeln geblasen, diese mit dem Diamant in kleinere Stücke
zertheilt, geschliffen und von den Glaskittern übernommen.
Direct beim Glasofen werden verschiedene Artikel fertig gemacht, sowie die sogenannte Krystal-
lerieware (Prismen, Briefbeschwerer, Tintenfässer etc.) in bestimmte Formen gepresst, welche
Artikel allerdings in den Raffinerien (Schleifereien, Malerwerkstätten und dergleichen) noch einer
geeigneten Behandlung unterzogen werden. Zum leichteren Vertriebe des Rohglases werden in
den verschiedenen Orten eigene Niederlagen unterhalten.
Kleinere Glashütten mit einem Schmelzofen, auf welchen in thönernen Hafen (meist 6, auch 2
oder gar nur einem) die sogenannte „Composition“ d. i. stark bleihaltiges Glas, geschmolzen und
sodann zu Röhren und Stangen gezogen wird, nennt man„Compositions=Brennereien“.
Auch deren gibt es eine Anzahl im Bezirke, namentlich in Gablonz, Albrechtsdorf, Josefsthal. Die
starken massiven Stangen sind zum Drucke, die schwachen Stängel (hohl und massiv), welche
hier in allen erdenklichen Farben erzeugt werden, für die Lampenarbeiter bestimmt. Außer den
gewöhnlichen Farben hat beinahe jeder Compositionsbrenner seine bestimmten Farben, die der
andere nicht führt; wie die einzelne Farbe gebrannt, d. h. erzeugt wird, ist eben das Geheimnis
und die Kunst des Betreffenden ...
Nach Gablonz wurde die Compositionsbrennerei durch den alten Mai verpflanzt, welcher früher
Frachter war und die Zufuhr der Näpfe und Krüge von Naumburg (Schlesien) für die Brennereien
in Turnau besorgte. Seine erste Hütte hat sich in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts hin
ter dem Kesselsteine befunden. Er baute anfangs - so heißt es in den mündlichen Ueberliefe-
rungen - für jede Schmelzung einen neuen Ofen (wenn auch sehr primitiver Art) aus Kalkstei
nen; war der Kalkstein genügend gebrannt, so galt es als Zeichen, dass auch die Composition
fertig war. Seine Farben waren meist nur Rubin und Granat, die aber lange Zeit als die besten
galten. Einige Jahre später, etwa um das Jahr 1830, fiengen die Gebrüder Anton und Josef
Scheibler die Brennerei an (trennten sich aber im Jahre 1833, errichteten jeder für sich eine ei
gene Brennerei), denen die Söhne des Anton Scheibler in ihrem Berufe folgten, die Auswahl der
erzeugten Farben bedeutend vergrößerten (Josef Scheibler + im Jahre 1884, bekannt durch
seine Türkis= und Saphirinfarbe); heute noch wird die Erzeugung durch die Enkel weiter betrie
ben. Ziemlich in dieselbe Zeit fällt auch die Errichtung der Compositionsbrennereien in Wiesen
thal durch einen gewissen Reckziegel, der früher Glasarbeiter in Turnau war und die erste durch
Feix, Huyer und Reckziegel gemeinschaftlich betriebene Brennerei einrichtete. Unsere Nachbar
stadt Liebenau besaß schon im Anfänge dieses Jahrhunderts bedeutende Compositionsbrenne
reien (Blaschka), die aber aufgelassen worden sind. Auch die Gebrüder Pfeiffer (Firma Jos.
Pfeiffer u. Cie.) machten in den vierziger Jahren Schmelzversuche (in den Anbauten der jetzt be
stehenden Preißler’schen Fabrik) nach venetianischem Stile mit Hilfe italienischer Arbeiter, lie
ßen aber die Sache wieder fallen.
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