pro Jahr zu veranschlagen dürfte nicht zu hoch gegriffen sein, da in einem einzigen Jahre das
amerikanische Consulat in Reichenberg die Ausfuhr von circa 5 Millionen Stück registrirte. Dass
dieser Artikel von wesentlichem Einfluss auf die Erzeugung der übrigen Krystallglasartikel war,
braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden und waren es insbesondere alle Lusterbe
hangartikel, welche bedeutende Preisaufbesserungen erzielten, da sich die meisten Hände auf
Erzeugung der Birnel warfen, welche in der Glanzperiode sozusagen ohne Beschränkung des
Quantums Abnehmer fanden.
Diese günstige Periode aber gieng mit dem Jahre 1888 zu Ende, indem der Artikel zwar immer
noch stark in Nachfrage blieb, aber die Verkaufspreise auf das niedrigste Niveau sanken, was
nicht ohne Einfluss auf die Löhne und die anderen Producte bleiben konnte. Das Jahr 1889
brachte wenig Besserung, vielmehr eine allgemeine Stagnation, welche um die Jahreswende
1890 sogar zu einer allgemeinen Arbeitseinstellung der Krystallglasarbeiter führte. Die Folge der
allgemeinen Arbeitseinstellung war eine Regelung der Löhne in dem gesammten Indu-
strie=Rayone. Schon nach dem ersten Drittel 1890, begann sich das Geschäft wieder etwas zu
heben und langsam in normale Bahnen einzulenken. In dem Jahre 1892 wurde bei der Erzeu
gung der Prismen und Birnel wie auch einiger verwandter Artikel die Feuerpolitur zu Hilfe genom
men, welche Procedur zwar die Qualität nicht erhöhte aber eine Verbilligung herbeiführte, die
insbesondere den Prismen eine große Verbreitung gab. Es wurden niemals größere Mengen
kleiner Prismen erzeugt, als in den Jahren 1893 bis 1896. Während Amerika und England zu
meist Käufer der besseren handpolirten Ware blieben, nahmen Italien, Frankreich und Spanien,
der europäische Norden und Indien willig den billigeren Artikel auf. Gegen Ende 1896 war zwar
der Consum immer noch ein bedeutender, aber die Preise erreichten ein sehr niedriges Niveau,
eine Folge der großen und scharfen Concurrenz und geringeren Nachfrage.
Die Flaconerzeugung ist seit Alters herein integrirender Bestandtheil der KrystallglasHndu-
strie gewesen und war diesbezüglich ein zumeist in ruhigen Bahnen sich bewegendes, constan-
tes Geschäft zu verzeichnen. Die Production ist auch an geschulte Arbeitskräfte gebunden und
können, da weniger minder geschulte Arbeitskräfte eingreifen, als dies bei der Lusterglaserzeu
gung (insbesondere in der Birnelperiode) der Fall war, die Preise nicht so sehr herabgedrückt
werden. Der Markt für den besseren Artikel ist Amerika, England und das übrige Europa, für das
billigste Genre der Orient und Indien (Rosenölflacons). In Amerika machte sich nachtheilig die
Mac Kinley=bill bemerkbar. Amerika erzeugt selbst große mengen Flacons und konnte diese In
dustrie unter dem Schutzzölle von 60 % ad valorem, natürlich sich bedeutend entwickeln. Die
Aufhebung der Bill brachte eine Belebung des Exportes und eine wesentliche Vermehrung der
Aufträge.
Auf dem Gebiete der Erzeugung von Ku rz waren, als da sind Tintenfässer, Briefleger, Bureau
artikel und diverse Schliffartikel für verschiedenen Gebrauch ist nur ein steter Fortschritt zu con-
statiren, indem die sich von Saison zu Saison erneuernden Muster im Zusammenhänge mit äl
teren eingeführten Nummern ein gewisses gleichmäßiges Geschäft sichern. Insbesondere ist
der Artikel Tintenfässer hervorzuheben, welcher in vielen Hunderten von Mustern seinen Weg in
die ganze Welt gefunden. Massenhaft verwendet der Wiener, der englische und französische,
nicht minder aber auch der deutsche Fabrikant diesen Artikel. Auf Holz, Bronze, Eisen und Mar
moruntersätzen finden wir diesen Artikel allerorts vertreten. Auch der Brieflegerartikel hat einen
wesentlichen Aufschwung gerade in den letzten Jahren erlebt, da die Artikel mit Ansichten für
Bade- und Wallfahrtsorte sehr in Aufnahme kamen und für diesen Zweck die Legersorten mas
senhafte Verwendung finden. Das Hauptabsatzgebiet hiefür ist Deutschland und England, im be
schränkten Maße auch Frankreich.
Die Haushaltungsartikel spielen in der Krystallerie eine sehr wichtige Rolle. Das Absatz
gebiet hiefür sind alle Culturländer, insbesondere aber Nordamerika und die europäischen Län
der, welche große Mengen von Salzfässern, Messerlegern, Stöpseln, Schälchen, wie auch Glas
löffeln aufnahmen.
In den letzten Jahren nahmen die Montirungsartikel im Gablonzer Industriegebiete einen
großen Aufschwung, was mit dem Umstande Zusammenhängen mag, dass die mit Silber mon-
tirten Glasartikel, im Publikum ungemein beliebt wurden. Erzeugt wurden zumeist Flacons, Me
nagenartikel, Dosen (Vaseline^ und Puderdosen), Cakestöpfe, Tintenfässer u. dgl. Artikel, wel
che sich mit einem Silberreifen oder einer kleinen Silbergarnitur versehen ließen. Der Markt hie
für ist Amerika und England und hier wieder Sheffield und Birmingham für die in großen Mengen
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