MAK
Max von Tayenthal: Die Gablonzer Industrie und die Produktivgenossenschaft der 
Hohlperlenerzeuger im politischen Bezirke Gablonz, in: Wiener Staatswissenschaft 
liche Studien. Zweiter Band. Zweites Heft. Tübingen und Leipzig 1900, S. 1-90 (bzw. 
241-330), in Auszügen 
I. Geschichtliches 
Der Waldreichtum der Thäler des Isergebirges, die sich herabsenken zur Neisse, Kamnitz und 
Iser, veranlasste schon im 16. Jahrhundert, bis in welches die Anfänge der böhmischen Glasin 
dustrie verfolgt werden, die Glasmacher, die Stätte ihrer Thätigkeit hieher zu velegen. 
Bereits 1547 entstand die erste Glashütte in Grünwald [Nach unveröffentlichten Mitteilungen 
kundiger Gewährsmänner ist in der Gegend noch eine ältere Hütte nachzuweisen.], der bald an 
dere folgten. Die Glasindustrie, die sich da entwickelte, beschränkte sich durch lange Zeit auf die 
Erzeugung von Hohlglas. Allmählich gliederte sich dann an dieselbe die Raffinerie des erzeugten 
Glases an. An den genannten Flüssen und einzelnen Gebirgsbächen entstanden mit Wasser 
kraft betriebene Schleifereien, in denen „Becher und Flaschen, Likörglasel, Flaschl und Stöpsel“ 
geschliffen wurden. Im Jahre 1618 ist auch bereits in Gablonz das Bestehen der Glasmalerei 
festzustellen. Noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jedoch dürfte der Hauptteil der 
Produkte der Glashütten im Isergebirge für die Raffinerien in der Haidaer und Steinschönauer 
Gegend bestimmt gewesen sein. 
1755 finden sich in den Inventaren verschiedener Haidaer Handelskompagnien von Gablonzer 
Waren ausser den heute noch erzeugten Schliffartikeln erst nur verschiedene Edelsteinimitatio 
nen aufgezählt, die wahrscheinlich mehr dem Turnauer Bezirke entstammten. Hier in dem Ga 
blonzer Nachbarbezirke hatte nämlich eine andere, entfernt verwandte Industrie ihre besondere 
Entwicklung genommen. An diesem uralten Sitze der böhmischen Granat- und Edelsteinschlei 
ferei war zu Anfang des 18. Jahrhunderts von Venezianern (nach anderen von Holländern) die 
sogenannte Compositionsbrennerei eingeführt worden, das ist die Herstellung von Glasflüssen, 
aus denen durch Druck und Schliff Imitationen von Edelsteinen und Halbedelsteinen, Glaskoral 
len, Perlen etc. erzeugt werden. Der Absatz dieser Waren lag in den Händen von zumeist deut 
schen Händlern, Exporteuren, welche sich in dem deutsch-czechischen Grenzgebiet, nament 
lich in dem deutschen Liebenau ansässig machten. Einige von diesen übersiedelten dann in den 
Gablonzer Bezirk, wohin auch die Compositionsbrennerei eingedrungen war, und wendeten sich 
hier wohl auch den anderen Artikeln der Glasbranche zu, die der Bezirk bereits aufzuweisen hat 
te. Mit diesem Uebergreifen der Steinindustrie fand eine neue Technik, die Druckerei und Schlei 
ferei kleiner Glasartikel im Gablonzer Bezirke Eingang, gleichzeitig mit handelskundigen Expor 
teuren, die die Bedürfnisse fremder Völkerschaften kannten. Dies wirkte zusammen mit der An 
passungsfähigkeit der alten Glasmacher an die neuen Ideen, die da hereinkamen, um hier ne 
ben, ja an Stelle der alten Hohlglasindustrie eine ganz neue Art von Glasindustrie entstehen zu 
lassen, jene eigentümliche Industrie, die man heute kurzweg mit dem Namen Gablonzer In 
dustrie bezeichnet. 
Für Umfang und Sitz dieser Industrie am Anfänge unseres Jahrhunderts ist kennzeichnend eine 
1820 von mehreren Gablonzer Firmen an das Kreisamt in Jungbunzlau gerichtete Petition, in 
welcher mitgeteilt wird, dass „mehr als 10 000 Bewohner der Dominien Kleinskal, Morchenstern, 
Nawarow und Semil sich mit der Erzeugung und dem Umsätze des Glases beschäftigen und 
sich bei günstiger Stellung der Handlung und vorteilhaften Konjunkturen auskommentlich näh 
ren ... 
Genauere Mitteilungen über die ältesten Zweige der Gablonzer Industrie, über die Verfertigung 
der Compositionssteine, über die Herstellung geschliffener Perlen und über die Lustreglaserzeu 
gung enthält ein Werkchen von Carl Josef Czoernig, der 1829 eine Beschreibung von Rei 
chenberg und Gablonz lieferte. Nach diesem Autor waren damals in Gablonz und Morchenstern 
allein in unserer Industrie bereits über 6000 Menschen beschäftigt, ... Schleifmühlen waren da 
mals, einschliesslich der Morchensterner, 152 im Gange, worin 1865 Menschen beschäftigt wa 
ren, während auf Hand- und Trämpelzeugen 1071 Personen schliffen. Ausserdem gab es 121 
Glasperlenbläser, welche die hohlen Perlen an der Lampe verfertigten, 38 Glasvergolder, in den 
Glashütten 48 Glasmacher, und zu den Nebenarbeiten wurden mehr als 600 Glasdrucker, 
Sprenger, Polierer und Anreiher (letztere meist auch aus Kindern bestehend) verwendet. Der 
424
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.