Gluthfarbe von ihrer Oberfläche, und jetzt, da der Meister die Pfeife absetzt und, sie leise schwin
gend, die paar Stufen von der Galerie herabsteigt, um die Kugel zu den anderen zu betten und
sie dann von der Pfeife abzuschlagen, jetzt hat die Kugel schon die tiefschwarze glänzende Au
ßenfläche wie die anderen, die bereits am Boden liegen. Das Abschlagen der Pfeife ist höchst
einfach. Mit einem Eisenstück fährt er auf der Kugel um den Rand der Pfeife, dann gibt er der
Pfeife einen zarten Schlag, und an der Eintrittsstelle der Pfeife in die Kugel entsteht ein offener,
ungleichmäßiger Bruch. Die Pfeife ist leicht von den Glasbruchstücken befreit, die noch an ihr
kleben. Das Alles, von dem letzten Ausheben der Pfeife aus dem Feuer bis zum Abschlagen der
Pfeife, ist kaum das Werk einer Minute. Die Lungenminute eines Glasbläsers! Wie
viele solcher Minuten kann er wohl aushalten? Und wie viele Stunden seines Lebens muß er
wohl für jede solche Minute höchster Anstrengung hergeben? Jetzt, da er die Glaspfeife vom
Munde hat, steckt er die Tabakspfeife in den Mund und saugt den heißen Qualm, der ihm wie
Kühlung ist, aus dem Rohr. Während er den Klautsch für die nächste Glaskugel anwärmt und im
Brande dreht, pafft er ruhig den Rauch vor sich hin.
Wozu sollen aber die großen Kugeln? Diese werden in Stücke geschlagen, und mit Benützung
der gerundeten Außenflächen werden daraus allerlei Schmuckgegenstände gemacht, nament
lich Trauerschmuck für Damen. So mag mancher Glasmacher schon das Rohglas geblasen ha
ben, aus dem der Trauerschmuck für seine Witwe später geformt wurde, wenn ihr, der Glasma
chersfrau, überhaupt das Geld für solchen äußeren Tand blieb.
Von dem dritten Ofe n, an dem wie bei den beiden anderen Oefen etwa 10 Meister ihre Ar
beitsplätze haben, trägt ein Junge soeben eine geschlossene Glashohlwalze auf seinem Zwei
spieß in den Kühlofen. Die Außenfläche ist wie marmorirt. Die Walze ist etwa 30 Centimeter lang
und hat 6 bis lOCentimeter im Durchmesser. Auch daraus werden Serviettenringe ge
macht, solche feinerer Art. Aus solchen Cylindern werden auch die Ringe mit überfangenem
Glase hergestellt, die dem Auge einen besonders gefälligen Anblick gewähren.
Das Ueberfangen des Glases ist ein ganz einfacher technischer Vorgang. Ein aus Kry-
stallglas geformter Gegenstand wird durch Eintauchen und rasches Drehen in der flüssigen
Farbglasmasse mit dieser überzogen. Beide Glase verbinden sich unzertrennlich; aber es findet
keine Farbenmischung statt. Das Ueberfangen des Glases ist eine sehr beliebte Dekorationsme
thode, die den großen Vortheil für sich hat, daß die Dekoration nie verwischen, nie verblassen
kann.
Der Meister nebenan, ein Graubart, der schwarze Schutzbrillen trägt - die Meister tragen dieses
einfache und nothwendige Schutzmittel gegen die schädlichen Einwirkungen der Gluthhitze auf
das Auge nicht - verräth uns durch seine Arbeit das Geheimniß einer anderen Dekorationsme
thode. Er erzeugt Eiskrüge oder, besser gesagt: Krüge aus Eisglas. Es sind dickbauchige
Krüglein mit zierlichem cylindrischen Halse und kleinem Schnabel. Er bläst den durchsichtigen
Glaskrug in eine Form, hitzt ihn von Neuem und dreht ihn dann in einem Haufen von Glasgries -
gestoßenem und gemahlenem Glase - herum. Hierbei bleiben die kleinen Glasstückchen an
dem glühenden Kruge kleben. Ein rascher Abkühlungsprozeß bewirkt, daß die Außenfläche des
Kruges zahlreiche kleine Sprünge und Risse bekommt. Dies gibt dann dem fertigen Krug in Ver
bindung mit den Glasstückchen, die in die Außenfläche förmlich veschmolzen sind, das Ausse
hen, als wäre er mit Eiskörnchen bestreut. Wasser, in solchem Kruge geboten, scheint nochmals
so frisch als Wasser in einem gewöhnlichen Kruge. So dient diese namentlich für Trinkgefäße
angewendete Dekoration zugleich der Illusion. Es wird damit der Macht der Einbildung Zoll ge
leistet.
Wir werfen noch rasch einen Blick in den Kollergang, wo das Material zur Glasschmelze gemah
len und dann unter großer Staubentwicklung in offenen Trögen gemengt wird. Dies ist eine be
sonders ungesunde Beschäftigung, bei der der Arbeiter noch jeder Schutzvorrichtung entbehrt.
Nicht einmal Respiratoren habe ich angewendet gefunden, und dies wäre doch so einfach und
leicht durchzuführen. Mit einem Besuche der Sprengerei, wo die Deckelgebläse von den
Glasgefäßen, wohl auch die Böden, wie bei den Serviettenringcylindern, abgesprengt werden,
beenden wir den Rundgang durch die erste Hütte, und der führende Beamte weist mir den Weg
zu der zweiten Hütte, wo ich in das Leben und Treiben in einer Zie h h ütte einen Blick werfen
soll.
In den Glasmagazinen. Das Erste, was ich in diesem zweiten Gebäudekomplex zu sehen
bekomme, ist das große Magazin für Glasstangen und Stengel. Der Laie muß von solcher Man-
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