Die Arbeit des Lampendrückers. Der Lampendrücker sitzt an einem Balkentisch, so
genannt, weil unter der Tischplatte ein großer Blasebalg angebracht ist. Mit den Füßen tritt der
Arbeitende den Balken. Lieber die Tischplatte ist ein spitz zulaufendes Rohr gebogen, vor des
sen Spitze eine faustgroße Oellampe steht. Vor dieser liegt ein hufeisenförmiger Ziegel, des
sen Ränder eingekerbt sind. In diese Kerbungen sind die Glasstengel zum Anwärmen aufge
legt. Der Lampendrücker hat immer drei, vier Stengel im Feuer, die er von der hintersten Ker
bung des Ziegels immer weiter nach vorne, näher der Flamme zu, auflegt, damit sie immer
weicher werden, bis der Drücker schließlich den Stengel in die direkte Flamme hält. Im selben
Momente tritt er auf den Balken und durch das Rohr zischt die gepreßte Luft in starkem Strahl
auf das Oelflämmchen, das nun zur stark hitzenden Stichflamme wird. Soll nicht Material ver
schwendet werden, so muß die Stichflamme ruhig sein. Würde sie flackern, so würde das
Glas nicht weich werden und das Oel wäre umsonst verbrannt. Jetzt hält der Drücker die
Stengelspitze in die Stichflamme. Er dreht den Stengel in der Hand, um gleichmäßige
Schmelzweichheit der schon rothglühenden Stengelspitze zu erzielen. Den Stengel hält er in
seiner Linken. Die rechte Hand hat er schon an dem Hebel der Formzange, mit der er nun die
kleinen schwarzen Steinchen drückt. Bei jedem Drücken fährt mit Hilfe einer mechanischen
Vorrichtung eine Nadel durch das Steinchen. Dadurch wird die Durchlochung der Steinchen
bewirkt. Bei hartem Glas drückt er etwa 30 Steinchen aus einem Klautsch. Die Steinchen blei
ben zunächst durch die „Brocke“, das Bruchglas, an den Rändern wie Ketten verbunden. Der
Glasdrücker läßt die Ketten entweder durch einen Kanal, der durch die Tischplatte in einen
unten stehenden Eisentopf führt, fallen, oder aber er hat die zeitersparende Vorrichtung
nicht.... dann muß er einen Handgriff mehr machen und die Steinchenkette an einem Eisen
topf abstreifen, der in der Mitte des Tisches steht. Nun, da wir den Arbeitsprozeß kennen ge
lernt haben, begreifen wir auch, warum der Lampenarbeiter seinen Arbeits=, Wohn=, Speise=
und Schlafraum, den Stall seiner Ziegen und die Entbindungsstätte seiner Frau nicht lüf
ten darf. Er könnte einfach nicht arbeiten und er könnte nicht die paar Groschen verdienen,
die er zur Bestreitung seiner geringen Lebensbedürfnisse braucht, wenn er diese fürchterliche
Atmosphäre nicht mit in den Kauf nehmen würde.
Der Verdienst bei feiner Waare. Der Millionär August Juppe in Labau, man sagt ihm
wenigstens allgemein Millionenbesitz nach, braucht nur feine Waare. Für diesen arbeitet der Vor
steher des eben geschilderten Haushaltes, sein Bruder und der dritte Arbeiter, der sich noch
nicht zu einem eigenen Arbeitszeug aufschwingen konnte und sich aus eigener Kraft, wie wir
später sehen werden, nie aufschwingen wird. Um einen Maßstab für den Lohn irgend eines Mas
senartikels zu gewinnen, braucht man sich nur eine Vorfrage zu stellen: Welches ist die kleinste
Einheit bei der Lohnberechnung? Je mehr einzelne Stücke die Einheit bilden, desto schäbiger -
so kann man in der Regel schließen - ist die Entlohnung, desto größer die Ausbeutung. Die
Lohneinheit in der Besatzsteinindustrie ist ein Bund. Ein Bund „Flüssel“, wie die Besatzsteinchen
in der Glasmacherbranche heißen, enthält 100 Dutzend, also 1200 Stück einzelner durchlochter
Steinchen, die gedrückt, von der Brocke befreit und auf Wollfäden angereiht werden müssen.
Herr Juppe zahlt unserem Lampendrücker für einen Bund - sechs Kreuzer nicht etwa als
Lohn, sondern als Preis, denn, wie wir schon gehört haben, muß der Lampendrücker das Roh
material und die Betriebsmittel, also Glas, Oel, Baumwolle und Nadeln zum Anreihen, selbst bei
stellen.
Wir rechnen mit dem Lampendrücker sein regelmäßiges Wochenbeispiel durch. Bei 90stündiger
Wochenarbeit ist er im Stande, 120 Bund, das sind 12.000 Dutzend oder 144.000 Stück, zu er
zeugen. Dafür erzielt er bei feiner Waare einen Preis von 7 fl. 20 kr.
Hören wir, wie viel sein eigentlicher Lohn beträgt:
Zu 120 Bund braucht er zunächst 10 Kilo Glasstengel, 1 Kilo ä 20 kr fl. 2-
Bei 15stündiger Arbeitszeit braucht er um 20 kr. O e I; für sechs Tage also ” 1 20
für das Anfädeln zahlt er für das Tausend (1000 Dutzend!) 11 kr.; für 12.000
Dutzend also ” T32
Die Baumwolle und Nadeln, das Zubehör für das Anfädeln, kosten im
Durchschnitt ” - 20
Wir finden also Auslagen fl. 472
Der erzielte Preis ist fl. 7 20
es ergibt sich somit ein reiner Arbeitslohn von fl. 2 48
446