Die Hohlperle.
Die in die Form geblasene Perle und die Freihandperle hat sich zu entwickeln begonnen, als
Ende der Fünfziger, Anfang der Sechzigerjahre der praktische Arzt Weiß köpf die Versilbe
rung auf kaltem Wege in die Gablonzer Gegend brachte und zum Einzug für Hohlperlen ver
wendbar machte. Seit jener Zeit ist die in die Form geblasene Hohlperle ein Welthandelsartikel,
dessen Erzeugung allerdings die denkbar primitivste war. Es wurde Stück für Stück entweder frei
oder in eine Form geblasen. Es wurde damals der für die heutigen Verhältnisse unerhört hohe
Preis von einem Gulden per Bund (1200 Stück) erzielt.
Ende der Siebzigerjahre trat in der Produktion ein jäher Umschwung ein. Ein einfacher Perlen
bläser, der heute noch leben soll, hatte eine Form ersonnen, die es ihm ermöglichte, mehrere Per
len auf einmal in die Formen zu blasen. Die Form enthielt eine ganze Reihe von Perlen. Seine Er
findung blieb nicht lange Geheimnis ... Nachdem man dem Erfinder den Vortheil abgesehen
hatte, wurde er nicht nur in dem Maße ausgenützt, wie es der Erfinder that, sondern die Sucht, in
derselben Zeit immer mehr und mehr zu produziren, trieb dazu, daß immer längere und längere
Formen gemacht wurden. - Die Preise wurden billiger, die Qualität nicht besser, die Löhne san
ken, die Arbeitszeit stieg. Trotzdem wurde noch Ende der Achtzigerjahre 40 und 45 Kreuzer
per Bund erzielt... Die Preise der Perle (waren) 1890 so weit gesunken, daß sowohl Arbeiter,
wie Lieferant und Exporteur ihre Rechnung nicht mehr zu finden glaubten. Dies kam in Form
eines Streiks der Perlenbläser und in der darauf folgenden Konvention zum Ausdruck.
Die traurigen Verhältnisse, die zum Streik geführt hatten, beschäftigten viel die Oeffentlichkeit,
und um die Industrie zu retten, unterstützten auch vorgeschrittene Unternehmer, wie Dr. Weiß
kopf oder solche, die als Erzeuger des Halbfabrikates ein Interesse an der Erhaltung der Indu
strie hatten, wie der Glaskönig Riedl, den Streik materiell. Die Konvention war geschlossen. Der
Preis für die CLPerle wurde mit 28 Kreuzern per 100 Dutzend festgesetzt... Die Preise
der Konvention waren bald durchbrochen, und wieder begann das alte verderbliche Spiel des
Niederkonkurrirens der Industrie. 1894/95 kam es zu einem neuerlichen Streik und zu einer
neuen Konvention, in der der Preis - nicht Lohn, denn die Arbeiter müssen auch das ganze Ma
terial dazugeben -der 0=Perle schon mit nur 22 Kreuzern für 100 Dutzend festgesetzt
war. Dieser Preis hielt bis 1897 Stand, da die Nachfrage eine außerordentlich große war. Von da
an begann infolge verminderten Bedarfs ein Abbröcklungsprozeß ...
Wieder beschäftigte sich die Oeffentlichkeit mit der Perlenindustrie ...Die Reichenberger
Handelskammer berief eine Einquete ein, auf der die betheiligten Faktoren, Arbeiter, Lie
feranten und Exporteure, gleichmäßig vertreten waren ... Schließlich wurde der Vorschlag zur
Gründung einer Produktivgenossenschaft gemacht. Dr. Iwan Weißkopf, der jet
zige geistige Leiter der Produktivgenossenschaft, war es, der den Vorschlag machte. Die Arbei
ter stimmten zu und versprachen die Unterstützung der Genossenschaft durch ihre Organisation
... Ende Oktober 1898 fand die Generalversammlung statt, und schon am 1. November wurde-
etwas vorzeitig - zur Eröffnung des Einkaufshauses in Gablonz geschritten ...
Bei den Perlenbläsern.
Der Werdegang der Perle. Der erste Perlenbläser, bei dem wir Umschau halten, arbeitet
mit der Blasemaschine. Wir sehen einen Balkentisch, wie wir ihn schon bei den Lampenarbeitern
kennen gelernt haben, und daran die höchst einfache Maschine, die zur Rechten des Sitzes an
gebracht ist. Sie besteht aus einer Luftpumpe, die durch einen Tritt auf den Hebel des Blasbal
ges gefüllt wird. Von der Luftpumpe wird die Luft in einen Schlauch gepreßt, in dessen anderem
Ende der Glasstengel steckt. Dieser ist an seinem freien Ende verschmolzen. Der Bläser tritt auf
den Hebel, setzt durch eine Verbindungsschnur einen zweiten, an der Tischplatte angebrachten
Hebel in Bewegung, der im selben Momente das Zuklappen der Perlenform bewirkt, indem die
Luft in den erwärmten Glasstengel gepreßt wird. Diese beiden Bewegungen bei der Perlener
zeugung besorgt also der rechte Fuß des Perlbläsers. Mit seinen Händen dirigirt erden Stengel,
den er an einer Stichflamme gleichmäßig erwärmt. Ist der Klautsch richtig angewärmt, dann be
ginnt für den Arbeiter ein Moment der größten Aufmerksamkeit. Er muß das „Kläutschl“ auszie-
hen und auf die Form auflegen und in derselben Sekunde auch den Hebel der Maschine treten,
damit die Luft eingeblasen und zugleich die Form geschlossen wird. Die größte Kunst des Blä-
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