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linken Fuß den Blasebalg treten muß, um die Stichflamme anzufachen. Der rechte Fuß ruht auf 
dem Boden auf... 
Die Atlasperle. Von einer Verschollenen wollen wir in den folgenden Zeilen reden, von der 
Atlasperle ... Auch in Alb rechts dort können wir die Erzeugnisse dieser sterbenden Industrie 
vor unseren Augen entstehen sehen. Zuerst das Ziehen der Atlasstengel in der gespenstisch er 
leuchteten Komposithütte, dann das Blasen der größeren Atlasperlen, das Ziehen der kleineren, 
das Anreihen zu farbenprächtigen Kolliers; ... 
Die Kompositionserzeugung ist in den Familien erblich, das heißt, die Rezepte der Erzeugung 
gewisser zusammengesetzter Glasarten vererbt der Vater dem Sohne und dieser wieder seinen 
Nachkommen. In jeder Komposithütte hat man andere Geheimnisse zu hüten und daraus Nut 
zen zu ziehen. Die Söhne begnügen sich aber nicht mit der Wahrung des Geheimnisses, sie sind 
fort und fort auf der Suche nach neuen Zusammensetzungen. Der Konkurrenzkampf mit der gro 
ßen Riedl’schen Hütte zwingt sie, immer wieder zu probiren und zu laboriren, bis ihnen endlich 
die Erzeugung einer begehrten Komposition gelingt. Der Kompositionsglaserzeuger, der seine 
Sache ernst nimmt, wird immer grübeln und sinnen, wie ein Alchymist immer und immer wieder 
die pulverisirten Mineralien und Chemikalien mengen, und er wird in jedem Brand auch sein klei 
nes Probetöpfchen stehen haben, in dem er zur Schmelze bringt, was er gemengt. Um dieses 
kleine Töpfchen hat er oft nicht geringere Sorge, als um die großen Hafen, in denen er die bereits 
bewährten Mischungen dem Brand aussetzt. Wird ihm diesmal der Wurf gelingen? Wird er dies 
mal den Karneol getroffen haben oder den durchsichtigen, blaßblauen Amethyst oder sonst eine 
Farbe, die dem herrschenden Geschmack zusagt und die darum für ihn wirkliches Gold bedeu 
tet? ... 
Wir treten in den finsteren, schwarzen Kompositionsraum, in die Hütte, wo wir Alles in voller Thä- 
tigkeit finden. Der Mischer ist an einem Trog beschäftigt. Mit einem rechenartigen Holzwerkzeug 
mengt er die verschiedenfärbigen Mehle so durcheinander, daß sie schließlich einen Farbenton 
geben. Der Besitzer der Hütte steht inmitten von Kistchen und Papiersäcken, die mit den ver 
schiedenen Bestandtheilen gefüllt sind, und streut in das wogende Gemenge immer noch neue 
Pulver, die er früher genau gewogen hat. Feiner, weißlicher Staub erfüllt die Luft. Ein zweiter Ar 
beiter füllt die fertigen Mischungen in glasirte Thontöpfe, die in äußeren Schutztöpfen stehen. 
Auch hiebei wirbelt der feine Mineralstaub auf. Die vollen Töpfe werden zugedeckt und kommen 
dann in den gemauerten Brandofen. Sie werden „eingesetzt“. Während des Einsetzens schlägt 
dem Arbeiter verdampfende Salpetersäure in die Nase. Er hustet. Dann wird auch die offene 
Wand des Ofens vermauert und zugleich langsam angefeuert. Der Brand hat begonnen. Er 
währt 24 Stunden, nach welcher Zeit in den Töpfen flüssige Glasmasse ist. 
Während sich dieser Prozeß an der rechten Seite des Raumes abspielt, sehen wir zur Linken in 
der gespenstigen Beleuchtung eines offenen Holzfeuers, das auf dem Ziehofen knisternd brennt, 
zwei junge Menschen - den Zieher und den Bläser. Sie fertigen die zur Perlenerzeugung nöthi- 
gen Atlasstengel. Der Ziehofen hat viereckige Gestalt. Vor der offenen Hauptwand steht der Zie 
her. Sein Hilfsarbeiter hat seinen Platz an der rechten Seite des Ofens, von wo aus er die An 
feuerung besorgt. Gefeuert wird mit langen dünnen Holzscheiten, die auf einer frei über dem 
Ofen hängenden Schaukel aufgeschichtet sind. Das Holz soll tüchtig ausgetrocknet und durch 
wärmt sein, damit es sofort die nöthige Hitze gibt. 
Der Zieher hat an der Pfeife den angewärmten Glasklumpen, den Klautsch, den er im offenen 
Feuer dreht. Jetzt nimmt er den Klautsch heraus, legt ihn auf die Werkbank und sticht aus dem 
schon weichen Glasklumpen Bläschen aus, die ein Anderer auf der rothglühenden, hitzestrah 
lenden Außenfläche gar nicht sieht. Er streicht dann die Form flach und eckig, so daß sie aus 
sieht wie ein Zylinder, dann gibt er ihr Flaschenform, dann knetet er den glühenden Glasteig zur 
Kegelform um - endlich rundet er ihn zur Kugel, jeder dieser Wandlungen geht eine Feuerprobe 
voraus. Der Klautsch muß immer wieder in den Brand, um knetweich zu bleiben. Jetzt tritt der 
Hilfsarbeiter, der bisher nur feuerte, als Bläser in Aktion. Während der Zieher die Kugel in einer 
brandschwarzen Holzform rundet, bläst der Hilfsarbeiter in die Pfeife. Die Kugel schwillt an. Die 
ser Vorgang wiederholt sich einigemale. Immer größer wird die Hohlkugel dank der Lungenkraft 
des Hilfsarbeiters, eines noch jungen Burschen. Nehmen wir die Hohlkugel als Erdkugel. Die 
Eintrittsstelle der Pfeife ist der Nordpol. Nach der nächsten Erwärmung der Kugel erfolgt ein An 
griff auf den Südpol. Mit einer flachen spitzen Beißzange dringt der Zieher in die weiche Masse 
ein, zwickt die Zange zusammen und zieht nun eine Spitze heraus. Im nächsten Moment ist aus 
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