der kleinen glühenden Erdkugel eine kindskopfgroße glühende Birne geworden. Der Zieher
taucht die Spitze der Birne ins Wasser, damit die Form gleich bleibt. Noch eine letzte Feuertaufe,
und nun schwingt er die an der Pfeife baumelnde Birne so lange, bis sie zur länglichen Wurst
wird. Da greift auch schon der Bläser zu. Mit einer Zange fängt er die Wurst am anderen Ende
und dann laufen Zieher und Hilfsarbeiter nach verschiedenen Richtungen in den Ziehgang, der
sich zur Linken des Raumes nach Nord und Süd in einer Länge von 100 Metern erstreckt... Der
Zug ist gelungen. Aus der rothglühenden Wurst ist ein 100 Meter langes dünnes Glasrohr gewor
den, gleich weit wie der Stengel des saftig=gelben Löwenzahns, der hinter der Ziehhütte auf der
Wiese blüht, nur unendlich länger, im Umfang stärker und glänzend, als wäre der Stengel von
Seide umflossen ...
Während der Zieher den Klautsch bearbeitet, zerschneidet der Hilfsarbeiter den Stengel in ellen
lange Stücke ...
Welch ein Unterschied zwischen dieser kleinen Kompositionshütte und den großen Glashütten
der Firma Riedl, die wir im ersten Kapitel kennen gelernt haben. Es ist wie Tag und Nacht. Hier
Alles eng, rauchschwarz die Wände, dumpf und voll schädlicher Stoffe die Luft - dort hohe, luf
tige Räume, in die durch hohe 100fenstrige Glasöffnungen Licht fluthet, hier die primitive ge-
theilte Produktion (Brand= und Ziehofen), dort die vorgeschrittene, Material sparende, einheitli
che Produktion, die gleich aus dem Brand heraus arbeitet, was hier erst verkühlen muß, um dann
nochmals schmelzweich gemacht zu weren. Hier für die ganze Produktion ein Raum, dort für
jede Phase der Produktion ein Raum: Kollergang, Mischraum, Ziehhütte, Sortirraum etc. Der
Glaskönig hat wahrlich eine armselige Konkurrenz, deren heroischen Kampf man fast bewun
dern muß. Er wäre einer nützlicheren Sache würdig ...
Die Pariser Feingoldperle unterscheidet sich von der gewöhnlichen Goldperle, dem
Massenartikel, dadurch, daß sie aus besonders feinem Glase hergestellt, mit G o I d eingezogen
und in der Ausführung und Fertigstellung viel sorgfältiger behandelt wird. Das Absatzgebiet die
ses schönsten Perlenproduktes, das sich durch ungeheuren Formenreichthum auszeichnet, ist
ein keineswegs beschränktes. Außer ihrer europäischen Bestimmung als Modeartikel hat sie
noch einen ganz hervorragenden Werth als Verkehrsmittel mit unzivilisirten Völkern. Der Afrika
reisende - sei er nun Forscher oder Handelsmann - der mit wilden Völkern in Berührung kommt,
muß mit diesem Flitter reich ausgerüstet sein, will er seine Zweck erreichen. Der Goldglanz die
ser Glasperlen blendet das Auge des Wilden so, daß er solche Perlen weit über ihren wirklichen
Werth einschätzt. Es gibt zum Beispiel eine nußgroße kubische Perle, die inTimbuctu einen
Marktpreis von einem Maria Theresia =Thaler hat - der reale Herstellungswerth dieser
Perle beträgt kaum einen Kreuzer. In der Unkenntniß des wirklichen Werthes ihrer eigenen Han
delsartikel und des zum Tausch gebotenen Flitters geben die Eingebornen ihr Elfenbein und ihr
wirkliches Gold für ein Glasgebläse hin, dessen Innenfläche mit einer dünnen Schichte Goldes
belegt sind. Eine Schnur solcher Perlen gilt als Vermögen. Aber, und das ist das Merkwürdige,
sie nehmen nicht jede Perle in Kauf. Sie sehen auf Form und Gewicht. Der schlaue Händler hat
hierin auch schon einen Ausweg gefunden. Er erwirbt die kleinen Bijouterien, die die einheimi
sche Goldschmiedekunst erzeugt, und nach diesen Mustern werden die Perlenformen gemacht,
die dann dem Geschmack der „geehrten Herren Wilden“ entsprechen. Durch Gewichtskontrolle
schützen sie sich vor minderwerthiger Waare. So wie es die Eingebornen von Timbuctu machen,
so halten es auch alle übrigen Stämme. Dies erklärt den Formenreichthum dieser Perlen. Herr
Dr. Iwan Weiß köpf in Morchenstern, der als Einziger im Gebirge die Pariser Feingoldperle er
zeugt, hat auf seinen Musterkarten 1500 verschiedene Fagcons (Oliven, Birnl, Kletzl, Spitzl,
Rundperle etc.) und Größen solcher Perlen aufgeheftet. Der menschlichen Phantasie ist ein un
geheurer Spielraum gegeben ...
Von der Spreng- und Schmelzperle.
... Die Sprenger von einst saßen bei ihrer in wagrechter Achse laufenden Sprengscheibe, die sie
durch Drehen mit dem Fuße in Bewegung setzten und sprengten durch Abteilung Perle um Perle
von dem dünnen Glashohlstab ab. In einem der Grenzorte des Sprachgebietes traf ich noch so
ein Ueberbleibsel früherer Zeit, einen alten Sprenger, der sich von der rastlos fortschreitenden
Zeit hatte überflügeln, anstatt mitreißen lassen. Im besten Falle kann er im Tag ein Kilo Per-
I e n sprengen ... 4000 bringt er im Tag bei14stündiger Arbeitszeit fertig. Den wenigen ande-
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