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Johann Hrdy: Aus dem Isergebirge, Gablonz a.N. 1907, S. 131-133: 
Die Jahre 1888 und 1889 waren für die hiesige Glasindustrie äußerst schlecht, und da keine 
Nachfrage nach den Perlen kam, lag bald das ganze Geschäft gänzlich darnieder und es ent 
stand große Not unter der hiesige Bevölkerung. Besonders hatte sich die Lage der Perlenarbei 
ter durch die Aufstellung von neuen Sprengmaschinen, deren sich Herr Josef Riedel in Un- 
ter=Polaun und Herr Ludwig Breit in Wiesental a. N. Nr. 426, seit kurzem in guter Absicht bedien 
ten, bedeutend verschlechtert; weil dadurch auch die Arbeiterfamilien um den Nebenerwerb 
des Perlenanfädelns gebracht worden waren, griff die Mißstimmung gegen die verhaßten Ma 
schinen rasch um sich und es reifte der Gedanke heran, diese gewaltsam zu vernichten. Auch 
unter den Glasschleifern machte sich gleichzeitig eine Lohnbewegung bemerkbar und bereits 
am 2. Jänner 1890 (wie einst im Jahre 1870 in der Liebig’schen Fabrik in Swarow) brach ein Ar 
beitsausstand der (2000) Glasschleifer aus. Mehrere Hundert derselben zogen aus Dessendorf, 
Tiefenbach und Polaun nach Wurzelsdorf und nötigten die dortigen Arbeiter zur Arbeitseinstel 
lung; am 7. Jänner schlossen sich auch die Rochlitzer und am 9. Jänner die von Morchenstern 
und der ganzen Umgebung dieser Bewegung an. Es wurde zwar am 20. Jänner bei einer Ver 
sammlung in Morchenstern beschlossen, eine Genossenschaft zu bilden und die Löhne zu re 
geln, doch schon am 23. Jänner erfolgte wieder ein Arbeiterausstand, indem etwa 200 Glas 
schleifer von Dessendorf nach Albrechtsdorf zogen, die in den dortigen Glashütten fertige Ware 
zertrümmerten und die dazwischen tretenden Arbeiter mißhandelten. Nach einer am Tage vorher 
stattgefundenen Versammlung setzte sich Mittwoch, am 29. Jänner, ein Zug von etwa 100 Arbei 
ter im nahen Dorfe Zäsada, meistens mit Stöcken bewaffnet, in Bewegung und erhielt auf sei 
nem Marsche über Labau, Schumburg, Schwarzbrunn und Neudorf fortwährend Verstärkung, so 
daß die Menge auf mehrere hundert Personen angewachsen war. Beim Glaswarenerzeuger 
Heinrich Wanke in Neudorf drang die Menge zuerst ein und es wurde alles, was an Maschinen 
und an Ware zu finden war, zertrümmert; Säcke mit losen, unangefädelten Perlen wurden aufge 
schnitten und in den Schnee geschüttet; der angerichtete Schaden betrug fast 4000 fl. ö. W. 
Nach dieser ersten, einstündigen Zerstörungsarbeit bewegte sich die Menge gegen Morchen 
stern, wo in Nr. 336 von der Frau des Herrn Anastas Wolf einige Gulden erzwungen und darauf in 
der Kreuzschänke vertrunken wurden. Nun ging es gegen die Breit’sche Schleifmühle in 
Ober=Wiesental; auch hier dauerte das Zerstörungswerk (von 'k 3 bis 'k 4 Uhr nachmittags) bei 
nahe eine Stunde und wurde so gründlich ausgeführt, daß der verursachte Schaden mit 12000 fl. 
beziffert wurde. Bei der Schleifmühle des Herrn Johann Fischer in Wiesental Nr. 77, wohin sich 
neuerdings der Zug begeben hatte, stellte sich der k. k. Bezirkskommissär Josef Jaschek mit der 
Gendarmerie der Menge noch rechtzeitig entgegen, worauf sich dieselbe gegen das Breit’sche 
Wohnhaus wandte; volle anderthalb Stunden hielten hier die Gendarmen gegen die lärmende 
Menschenmasse auf ihrem Posten aus; bei dieser Gelegenheit versuchte es Josef Kafka aus 
Zäsada, dem k. k. Gendarmerie=Wachtmeister Wenzel Eisen das Gewehr aus den Händen zu 
entwinden, wurde aber durch einen Bajonettstich in die linke Brust verwundet und starb infolge 
dessen nach einer halben Stunde; ein anderer Arbeiter aus Gistei, namens Franz Baldus, wurde 
durch einen losgehenden Schuß auf der Stelle getötet. Um 10 Uhr abends langte von Josefs 
stadt aus Militär an und nun kehrte die Ruhe wieder ein; am 9. Feber kam in die hiesige Gegend 
eine starke Gendarmerie=Abteilung eingerückt, worauf das Militär am 11. Feber in seine Garni 
son zurückkehrte. Am 5. Feber traf der damalige Statthalter von Böhmen, Graf Franz Thun, in 
Gablonz ein, besuchte auch Wiesental und versprach dem Notstandausschusse die nötige Hilfe; 
von überall liefen beträchtliche Spenden für die Notleidenden ein, darunter auch 1000 fl. vom 
Grafen Theodor Desfours. Von diesen Spenden erhielten in Josefstal 361, in Antoniwald 143, in 
Albrechtsdorf 267, in Wiesental 602, in Polaun 309, in Johannesberg 991 und in Morchenstern 
664 Personen Unterstützungen. Es brachen zwar noch am 23. März und 17. Mai desselben Jah 
res Arbeiterausstände aus, aber die Geschäftslage besserte sich unterdessen und trug zur Be 
ruhigung der Arbeiter bei. 
Leider hielt mit der Erhöhung der Löhne auch die Teuerung der Lebensmittel gleichen Schritt. 
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