Gablonzer Industrie gewonnen hat, spiegelt sich ab in einem Artikel der „Reichenberger Zeitung“
vom 25. Juni 1906, aus dem folgendes zu entnehmen ist:
„Nicht bloß die Tausende von Besuchern, sondern gewiß auch die Exzellenzen und hohen Mili
tärs, welche Sonntag die Arbeits- und Ausstellungsräume der .Gebrüder Mahla' und
,W. Klaar‘ durchschritten, werden den Eindruck mitgenommen haben, daß eine außerordentli
che Summe von Umsicht, Energie, Fleiß und Schaffensfreudigkeit dazu gehört, um den soge
nannten .Gablonzer Waren' den Weg zu öffnen in aller Herren Länder. Sonst wird dem Kaiser zu
meist gezeigt, was Industrie und Gewerbe zu schaffen vermögen, hier hat er auch gesehen, was
der Kaufmann zu leisten vermag und welch große Rolle diesem und insbesondere dem Expor
teur zufällt. Die Gablonzer Industrie und ihre Exporteure leisten Großartiges - das war der Ein
druck den der Kaiser und seine Suite, die hohen Militärs und Minister, dann aber auch die zahl
reichen Besucher der beiden Ausstellungen mit sich genommen haben.“
Einen breiten Rahmen in dem Gablonzer Export nahm im verflossenen Jahre das Geschäft nach
Indien ein. Zu den Hauptartikeln, welche nach diesem Lande exportiert wurden, zählen in erster
Linie Glasarmringe, dann Hohlperlen, sowie Zelluloidperlen, ferner gewisse Gattungen von Bi
jouterien, Steine und Kristalle. Der erste Artikel, in Indien unter dem Namen „Glassbangles“ be
kannt, war im jahre 1905 durch die nimmer ruhende Konkurrenz hinsichtlich billigster Beschaf
fung der Ware trotz großem Bedarfe, jedoch infolge von außer Verhältnis stehendem Arbeiterzu
wachs, auf ein Niveau herabgesunken, daß die Arbeiter kaum noch ihr Leben zu fristen imstande
waren. Es brach im Herbste 1905 infolgedessen ein Streik unter den Glasschleifern aus, der zu
ihrem Zusammenschlüsse und - gezeitigt dadurch, auch zu einem Zusammenschlüsse der Lie
feranten und der seitens derselben errichteten Genossenschaften führte.
Als dieser Umschwung sich vollzogen hatte, fehlte nun noch der Zusammenschluß der Expor
teure, um dem Artikel, beziehungsweise dessen Preisen eine Stabilität zu verleihen, der im Mai
1906 nach unzähligen Verhandlungen in Form eines Kartells zustande kam. Die Vereinigung der
Genossenschaften (Lieferanten) erwies sich bis auf wenige Ausnahmen als verläßlich, nur die
Wirkung des Kartells der Exporteure bewies, daß an dessen Stelle eine Einrichtung geschaffen
werden mußte, die nicht mehr zu durchbrechen war. Es gelang im November 1907, an Stelle die
ses Kartells ein Verkaufs-Syndikat für die Glasringbranche zustande zu bringen, dem alle Firmen
der Gablonzer Glas-Industrie, welche für den Artikel überhaupt Interesse besaßen und besitzen,
beitragen.
An der Wiege des Syndikates stand leider eine Krisis ernster Art in Indien, hervorgerufen durch
die zwar stets latente, aber zu Ende des verflossenen Jahres in stärkerem Maße wieder aufge
tretene Pest und eine infolge schlechter Ernte, die durch ungenügenden Regenfall verursacht
wurde, in außerordentlich starkem Maße ausgebrochene Hungersnot. Dazu gesellte sich noch
die Swadeshi-Bewegung (Boykott englischer und kontinentaler Waren), welche in Kalkutta ihre
Herrschaft auszuüben suchte. Gegen die durch die englische Regierung beabsichtigte Teilung
Bengals in zwei Provinzen hat ein Teil der gebildeteren Bengali-Bevölkerung Kalkuttas als De
monstration den Boykott englischer Waren und damit auch, nachdem die Eingeborenen häufig
keinen Unterschied zwischen englischer und kontinentaler Ware machen, gegen letztere provo
ziert.
Auch im nahen Orient sind die Verhältnisse zurzeit sehr mißliche. Die Grundspekulationen in
Ägypten, der hohe Zinsfuß im ganzen Orient, als Folgeerscheinung der amerikanischen und eu
ropäischen Geldknappheit, hemmt auch hier die Entwicklung des Geschäftes, und ist nur zu hof
fen, daß diese Krisis vorübergehender Natur ist und die seit Monaten zurückgehaltenen Orders
dann wieder reichlich eingehen.
Der gewählte Vorstand des genannten Verkaufs-Syndikates, an dessen Spitze der Verfasser die
ses Artikels steht, läßt es sich angelegen sein, der hie und da auftauchenden Konkurrenz seitens
der den Genossenschaften und dem Syndikat fernstehenden Lieferanten und Exporteure in wirk
samster Weise zu begegnen, und alle besser gesinnten Elemente vereinigen sich in dem Ge
danken, dem Artikel, der von weittragender Bedeutung für die hiesigen Erwerbsverhältnisse ist,
jene Stabilibät zu verleihen, deren er bedarf, um die nunmehr geregelten Verhältnisse auch fer
nerhin zu wahren.
Die zurzeit in Indien herrschende geschäftliche Krisis würde sicherlich zu vielen Falliten unter
den indischen Händlern dieses Artikels und dadurch notgedrungen auch in hiesigen Exportkrei
sen führen, wenn nicht durch die erzielte Vereinigung der Glashütten, Exporteure, Lieferanten
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