N. Graeger, Handbuch der Glasfabrikation nach allen ihren Haupt= und Neben
zweigen, vierte Auflage, zweiter Band, Weimar 1868, S. 118-121:
Perlenfabrikation.
Die Anfertigung von Perlen war, wie aus dem Auffinden von Halsbändern und andern Schmuck
sachen in den Gräbern früherer Völker, an egyptischen Mumien u. s. w. hervorgeht, schon dem
hohen Alterthume bekannt. Diese Industrie, die im Verlaufe derzeit eine so große Wichtigkeit er
langt hat, wurde durch die Venetianer nach Europa verpflanzt, wo sie zuerst in Venedig selbst,
später auf der Insel Murano, längere Zeit ausschließlich betrieben wurde, und noch jetzt liefern
die dortigen Fabriken jährlich gegen 50,000 Ctr. Perlen theils aus Email, theils aus durchsichti
gem Glase.
Die Perlen sind entweder rund oder facettirt, von verschiedener Größe und von verschieden ge
färbtem Glase und dienen zur Herstellung von Halsbändern, Rosenkränzen und verschiedenen
andern Schmucksachen der Frauen.
Ihre Fabrikation besteht in dem Ausziehen cylindrischer oder eckiger Röhren von weißem oder
farbigem Glase in beliebiger Länge, in dem Zerschneiden der Röhren in kleine Stücke, und der
Abrundung und dem Aufschnüren.
Die Anfertigung der Röhren geschieht entweder vor der Glasbläserlampe oder über einem klei
nen Kohlenbecken, auf welchem Koks oder Holzkohlen verbrannt werden. Dieses Kohlenbecken
ist mit einem domförmigen Aufsatz versehen, der seitlich einander gegenüber zwei röhrenför
mige Oeffnungen hat, in die das theilweise zu erweichende Glasrohr horizontal eingeschoben
wird. An der Vorderseite des Doms befindet sich ein Blickloch, um jederzeit den Grad der Erwei
chung des Glases beobachten zu können. Das Ausziehen der Rohre läßt sich sowohl mit der
Hand, noch besser aber mittelst der Zieh bank vornehmen.
Im letztem Falle führt man in diese röhrenförmigen Ansätze des Doms eine Glasröhre, und zwar
so, daß das Ende derselben mit einer Zange erfaßt werden kann; diese liegt auf einem auf zwei
Schienen rollenden Wagen, die auf der etwas geneigten Ziehbank befestigt sind. Der Wagen
wird durch eine über zwei Rollen gehende Kette ohne Ende bewegt, deren eine ihre Bewegung
durch eine Kurbel erhält. Ganz nahe am Kohlenbecken ist die Zange geöffnet, sie schließt sich
aber augenblicklich, sobald sie, vermittelst der Kette, genöthigt wird, sich zu entfernen.
Der unter dem Dome einer intensiven Hitze ausgesetzte Theil der Röhre fängt bald an weich zu
werden, und dies ist der Moment, auf welchen der Arbeiter Acht haben muß, um die Zange von
dem Kohlenbecken zu entfernen, wobei er die Kurbel mit der einen Hand in regelmäßige Umdre
hung versetzt, währe er mit der andern Hand die Röhre, um in dem Maße, als sich der Wagen
entfernt, der Hitze immer wieder neue Theile derselben darzubieten, langsam fortschiebt.
Alle Aufmerksamkeit muß sich auf den Grad des Erweichtseins der Glasmasse, sowie auf die
Geschwindigkeit des Ziehens richten, die aber wieder von der mehr oder weniger weichen Be
schaffenheit des Glases abhängt, worüber ein Blick in das Innere des Kohlenbeckens den nöthi-
gen Aufschluß ertheilt.
Sobald die Zange am Ende der Ziehbank angelangt ist, löst sich der Wagen von der Kette ab und
kehrt durch sein eigenes Gewicht zu seinem Ausgangspunkt zurück, um wieder das Ende der
Röhre zu fassen. In dem Augenblick, wo der Wagen sich entfernen will, wirkt ein über der Bank
ausgespannter Messingdraht auf einen kleinen Hebel, welcher das Ende der Glasröhre, da wo
sie aus dem Kohlenbecken hervortritt, mit einem Tropfen Wasser benetzt, während die Zange
das andere Ende losläßt; in dem Moment, wo der Wagen auf der schiefen Ebene seinen Lauf be
ginnt, fällt die Röhre in eine hölzerne Rinne.
Strick= und Stickperlen. Nachdem die zur Perlenfabrikation nöthigen dickwandigen Glas
röhren nach ihrem Durchmesser sortirt worden sind, werden so viele als deren ein Arbeiter mit
der Hand zu fassen vermag zusammengenommen, ihre Enden durch Anstoßen an eine flache
Wand in eine Ebene gebracht und so dem Zerschneiden unterworfen.
Zu diesem Zwecke legt der Arbeiter die Enden eines Bündels, so daß sie etwa 'h bis 1 Linie vor
stehen, auf die untere Klinge eines aus zwei schweren Messern bestehenden Schneidemessers
und läßt die obere Klinge herabfallen, so daß die Enden der Glasröhre abgetrennt werden. Sie
werden, um Splitter und zu kleine Stücke zu entfernen, gesiebt, und dann abgerundet. Diese
Operation hat zum Zweck durch ein theilweises Erweichen die scharfen Kanten zu beseitigen,
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