den und der Bedarf hiefür sich so steigerte, daß zu dessen Deckung die schöne Ware nicht hin
reichte, wurden die Perlen an zwei, drei und vier Nadeln geschliffen und der restliche Bedarf mit
Doppelschmelz (zweimal polierte Perlen) gedeckt. Ende 1867 hörte dieser Schmelz auf und fand
1870-71 wieder Absatz. In dieser Zeit war die Nachfrage weniger nach Schmelz und dreimaligen
Perlen, sondern vielmehr nach zweimaligen (Schrauben). Als sich aber der Bedarf wieder stei
gerte, so wurde Doppelschmelz, jedoch eine bessere Qualität aus dem mittlerweile von Josef
Riedel erzeugten scharfkantigen Glase dazu gemischt.
Aus dem neuen Glase wurde ein sehr schöner Doppelschmelz („neuer Doppelschmelz“) herge
stellt, welcher vom Sommer 1873 an schon durch einige Wochen hindurch für neu anzuferti
gende Posamentrie=Muster gekauft wurde. Im Jahre 1874 kamen erst kleinere, dann, als die Mu
ster von der Mode angenommen worden waren, solche Aufträge, daß der Preis von 40 kr. pro
10 Bund auf 45, 50, 60 und 70 kr., sogar für sehr schöne Ware auf 75 kr. stieg. Vom Herbst des
Jahres 1874 angefangen ging das Geschäft in diesem Artikel wieder schwächer, der Preis fiel
immer mehr und mehr. Mitunter wurden noch ziemliche Posten (in Schwarz) verkauft und zu Lü
ster, Iris, Gold und Bronzefarben verwendet. Seit einigen Jahren ist der Schmelz zu den gering
sten Preisen käuflich.
Die Stängel 4/0, 5/0, 6/0 benannte man Vier=Pfünder, die von 6/0, 7/0 bis 8/0 Sechs=Pfünder und
so fort.
In der Zeit, in welcher die Eisenbahn von Eisenbrod nach Tannwald gebaut wurde, haben bei
dem Bau beschäftigte italienische Bahnarbeiter die Drahtschleiferei im tschechischen Gebiete
eingerichtet. Anfangs wurden nur zweimalige Perlen geschliffen, die nur wenig Absatz fanden.
Im Laufe der Zeit verbesserten die Arbeiter ihre Arbeit derart, daß man jetzt mit einer Reihe von
Jahren ausschließlich dreimalige Perlen am Drahte schleift. Die zweimaligen Perlen wurden eine
Zeit lang in einen Kasten, worin eine Schleiftafel angebracht war, gemahlen (man sagte „gelei
ert“).
Das Sprengen der Bissei, welches seit länger als hundert Jahren mittels „Sprengradeln“ ge
schah, besorgte man seit 1888 durch Hacken mit einer Maschine. (Jos. Riedel in Polaun, Breit in
Wiesental und Löbel in Morchenstern.)
Die Verwendung von Maschinen in der Perlenindustrie und die dadurch bedingte Umwälzung be
traf Morchenstern sehr hart. Die schwarzen zwei= und dreimaligen Perlen verschwanden aus
diesem Gebiete.
Der Preisfall war ein ungeheurer. Perlen, welche vor Einführung der Maschinen pro 10 Bund
50 Kreuzer galten, wurden nun zu einem Preise von 6, 7 und 8 Kreuzern abgesetzt. Jene Liefe
ranten, welche ein großes Lager hatten - und ein solches mußte jeder, welcher in schwarzen
Perlen arbeitete, haben - es nicht sofort ganz losschlugen, kamen um einen großen Teil ihres
Vermögens.
In den 1870er Jahren erzeugte man Atlasschmelz (gesprengte Bissei) in vielen Naturfarben,
auch in Anilinfarben. Da sie aber, sowie die schon in früheren Jahren gesprengten Silber- und
farbigen Schmelze (gesprengte Bissei und Stifte) den Faden sehr leicht zerschnitten, wurde von
der Verwendung zu Posamenten Abstand genommen. Später wurden jedoch, um das Zer
schneiden des Fadens zu verhüten, die eckigen KristalL und farbigen Bissei und Stifte vorher ge
schmolzen, dann erst eingesilbert und auch mit Anilinfarben gemalt. Längere Zeit war ein ziem
liches Geschäft zu machen.
Gold und Bronze wurde auf gesprengte schwarze und farbige Bissei und Stifte eingebrannt,
dann geschliffen und poliert (Abschliffecken). Die farbigen Abschliffecken wurden mitunter noch
eingesilbert. Da diese Ware von schönem Aussehen aber teuer zu stehen kam, fand sie nur ge
ringen Absatz.
Gold und verschiedene Bronzen trug man erst auf unseren Eckenschmelz und dreimalige Per
len, dann auf venetianischen Rund= und Eckenschmelz auf.
In den 1870er Jahren erfand man auch den gewöhnlichen Iris auf Schmelz und zwei= und drei
malige Perlen. Gustav Ullmann in Morchenstern soll zuerst Gold= und Silberiris erzeugt haben.
In den 1880er Jahren wurde Rundschmelz eingesilbert, erst venetianischer, dann Riedel’scher.
Aus Silberschmelz kann man durch Aufträgen von Anilinfarben alle erdenklichen Farben erzie
len. Ungeheure Mengen dieses Schmelzes sind erzeugt worden.
Die meisten Erfindungen und Verbesserungen in der Perlenindustrie sind in den 1870er bis 80er
Jahren gemacht worden.
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