zu den großen künstlerischen Gegebenheiten der spätesten Romantik zu beginnen
scheint heute sehr aktuell zu sein, denn die Bedeutung der künstlerischen Werke ist
in einer bestimmten Beziehung sehr zweideutig geworden, nämlich in der, daß die
ästhetischen Definitionen der zeitgenössischen Kunst so unklar geworden sind im
Spiel und im Kompromisseschließen zwischen Kunstmarkt und Kritik, daß die
Öffentlichkeit darauf verzichtet zu haben scheint, eine eigene unabhängige Beziehung
zur bildenden Kunst einzunehmen oder abzulehnen. Aber weil in Japan die Kunst
produkte, von denen Werke großer Qualität zahlreich zu uns gekommen sind, sich
in eine geschichtliche Dimension entwickelt haben, die himmelweit von unserer entfernt
ist, haben die Autoren solcher Kunstwerke — zu ihrem Glück — nichts mit Kunst
kritikern zu tun gehabt. Sie lebten und arbeiteten in zurückgezogener handwerklicher
Bescheidenheit, von der heute jede Spur verlorengegangen ist und die so notwendig
dafür zu sein scheint, daß Werke der Malerei und der Skulptur in der Öffentlichkeit
unverfälschte Aufnahme finden. Aber während im 18. und 19. Jahrhundert die euro
päische Kultur mit Handwerksprodukten des Fernen Ostens in Verbindung gekommen
war, haben die abendländischen Künstler der vergangenen zwei Jahrhunderte Japan
in allgemeiner Weise interessant gefunden, was sich verschiedenartig manifestiert hat.
Grundlegend für dieses Interesse war eine ähnliche Bescheidenheit, Kunstwerke
absoluten Wertes zu schaffen, obwohl die zwei Zivilisationen einander so fern waren.
Es ist eine gültige geschichtliche Regel, daß Kunstwerke auch zwischen voneinander
weit entfernten kulturellen Umgebungen ausgetauscht werden können, aber nur von
ähnlichem künstlerischem Niveau. Nur in solchen Fällen können Kunstwerke, die
von einer Umgebung in eine andere wandern, die Entwicklungsrichtung einer
gegebenen Gesellschaft wesentlich verändern. Heute leben wir in einem so starken
kulturellen Tief, daß wir nichts mehr zum Austausch anzubieten haben. Vor allem
scheint es aus evidenten Gründen, daß jede Ausdrucksform der zeitgenössischen Kultur
die Möglichkeiten, etwas grundlegend Neues zu bringen, bereits ausgeschöpft hat.
Und vielleicht kehren wir aus eben demselben Grund heute dazu zurück, eben jene
Perioden, wie die Spätromantik, wieder höher einzuschätzen, die die vorhergehenden
Generationen geringgeschätzt haben, gerade auch deswegen, weil sie sich selbst
für die besten Perioden gehalten haben. Wir wissen, daß jeder Abschnitt der europäi
schen Kultur seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Krise der Romantik als Bedürfnis
nach Erneuerung interpretiert hat und daher als Suche nach neuen sprachlichen
Ausdrucksweisen. Die Modernität der japanischen Drucke lag darin, daß alle Elemente
dieser Kompositionen von der europäischen Tradition ganz verschieden waren;
zunächst ist das axiale Perspektive System, das in Europa seit der Renaissance vor-
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