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Figuren bemalte Stoffe (pinfados).
Die Crof}mogul-Kaiser führten erst die safavidische Kunst Persiens
mit ihren Bauten aus buntglasierten Kacheln und Zwiebelkuppeln,
an chinesische Kalligraphien erinnernden Miniaturen und groß
blumigen Brokatgeweben ein. Kaiser Akbar (1556—1605) ver
suchte, einen synkretistischen Stil zu entwickeln, der Elemente
nicht nur der persischen, sondern auch aller indisch-islamischen,
ja Hindu- (Rajput-) und europäischen Stile seiner Zeit umfaßte.
Die Bauten, meist aus rotem Sandstein, verschmolzen persische
Gewölbe und Dome mit Hindu-Balkonen, -Dächern, -Säulen usw.,
überzogen mit bunten indo-islamischen und persischen Ornamen
ten. Die Miniaturmalereien (Kat. 352 b bis 366) bleiben der safa-
vidisch-persischen Vogelperspektive freu, bereichern sie aber
durch Figuren im Rajput-Stil (Kat. 367—370) und einen euro
päischen Naturalismus. Dieses liebevolle Naturstudium erreichte
seinen Höhepunkt unter seinem Sohne Jahangir (1605—1627).
Erst unter Shajahan (1628—1658) entwickelte sich ein Reichsstil.
Außerordentlich harmonische, meist strikt symmetrische Bauten in
weißem Marmor, mit edlem Gestein eingelegt, die Formen per
sisch, Bengali und Dekhani, die Malerei eine Mischung aus rajpu-
tischer Komposition und europäischer Detailtechnik, Textilien in
hauchzartem Weiß, Gold und Pastellfarben, das Kunstgewerbe
Jade, Silber, Kristall usw. bevorzugend, die Ornamentik von Blu
men aus Kashmir (Tulpen, Narzissen, Safran usw.) beherrscht. In
der unruhigen Folgezeit wurde die Bautechnik billig (bemalter
Marmorsfuck), die Formen barock (Rundung und dynamische Stei
gerung des Rhythmus), die Ornamentik überreich und unruhig, die
Farben schreiend. Die Malerei wurde romanfisch-stilisiert, wesent
lich mit Haremsszenen beschäftigt. Im Kunstgewerbe kamen der
Kashmir-Schal (Kat. 487), reiche Applique- und Flitferarbeit, Qua
sten und Troddeln, hochgespitzte Schuhe, riesige Wasserpfeifen
usw. auf.
Parallel entstand auch eine neue Hindu-Kunst in den, nun den
Großmogul-Kaisern tributpflichtigen, Hindu-Staaten, vor allem in
Rajputana und dem Himalaya. Sie war aus der mittelalterlichen
Hindu-Kunst hervorgegangen, hatte diese aber bis zum äußersten
vereinfacht und dann frei umgebildet. Die frühe Rajput-Baukunst
(14. bis 17. Jahrhundert) ist eine asymmetrische Mischung von isla
mischen Bögen und Gewölben mit schlichten Hindu-Säulen, -Ge
bälk und -Dächern. Skulptur und Malerei, aus der Volkskunst ent
standen, stellen Figuren in strikter Seitenansicht (wie im alten
Ägypten) und In Streifen angeordnet dar, der Hintergrund ist nur
angedeutet, die Farben sind leuchtend, der Ausdruck expressio
nistisch. Im 17. Jahrhundert übernahmen die Rajputen viel von der
Mogul-Kunst, im frühen 18. Jahrhunderf wurde sie ein Mogul-
Provinzstil. Aber dann ging die Rajput-Kunst wieder eigene
Wege, die Mogul-Architektur wurde umgedeutet (asymmetrisch)
und mit figuralen Skulpturen und Malereien durchsetzt. Die Ma
lerei ersetzte den Mogul-Naturalismus durch fließende Linien und
große Farbkontraste, ihren Realismus durch eine oft ins Mystische
schlagende Romantik. In Rajputana blühten Malschulen in Mewar
(Udaipur), Malwa, Marwar (Jodhpur), Bikaner, Amber-Jaipur,
Bund!, Kotah und in Bundelkhand, im Himalaya zu Bashohli,
Kangra, Kulu, Jammu usw.
Eine ähnliche, aber weniger ausgesprochene Volkskunst entwik-
kelfe sich in Bengalen, Orissa (Kat. 464—466), im Panjap, Zen
tralindien, Maharashtra u. a. Im Laufe des 19. Jahrhunderts star
ben aber fast alle diese Stile aus. Statt dessen hat sich seit Ende
des Jahrhunderts eine moderne indische Kunst zu bilden begon
nen, zuerst in Nachahmung der alten Stile in Baukunst und Ma
lerei, dann in einer unserem Klassizismus verwandten Nach
ahmung der Gupta-Kunst (bengalische Schule), schließlich in mo
derne Bahnen einbiegend.
Wesen und Bewertung der indischen Kunst;
Wenn man die indische Kunst gerecht einschätzen will, muß man
sich darüber klar sein, daß sie, wie auch jede andere Kunst, nicht
allzu viele ganz große Meisterwerke hervorgebracht hat, daneben
einen großen Bestand edler Schöpfungen und eine Unmenge
rechtschaffenen Handwerks und noch mehr recht provinzielle Pro
dukte. Die indischen kunsttheoretischen Schritten verlangen zwar,
daß der Meister nur nach langer Meditation und aus tiefster in-
spiration heraus gestalten solle. Solche Schöpfungen gibt es,
aber sie sind zu zählen. In der Praxis war es wie auch bei uns.
Hinter den großwortigen Manifesten stehen oft genug nur Rou
tine, schmissig hingeworfene Arbeit, Kopie, stumpfeste Massen
produktion.
Man muß auch die Werke in ihrem Zusammenhang betrachten.
Gar viele Bildwerke, die wir isoliert im Museum studieren, form
ten einst nur einen untergeordneten Teil einer großen Stupa- oder
Tempeldekoration. Was wir aus der Nähe in gedämpftem Licht
betrachten, war einst gedacht in grellem Sonnenlicht aus weiter
Entfernung gesehen zu werden, was uns vielleicht als grobes
Steinwerk erscheint, war einst fein mit Stuck überzogen und be
malt gewesen.