Die Revolution, die so viel auf dem Gebiet der Tapisserie vernichtet hat,
richtete diese Kunst beinahe zugrunde oder sie lähmte wenigstens für längere
Zeit ihre Entwicklung.
Das 19. Jahrhundert hat bekanntlich die Erneuerung der Kunst gebracht,
sowohl die Erneuerung der Malerei als die der Plastik. Die Baukunst steckte
jedoch beinahe das ganze Jahrhundert in traditionellen Formen und im
Epigonentum und erst vor wenigen Jahrzehnten scheint sie vom Geist der
neuen Zeit berührt worden zu sein.
Mit der Gobelinkunst gingen die Dinge noch langsamer. Malerei, Plastik
und Baukunst: Jeder Geschichtsschreiber hätte von jeher jedem Fach ein
Kapitel gewidmet, aber wer hätte vor 20—30 Jahren daran denken können,
in einer Geschichte der modernen französischen Kunst auch dem Gobelin
einen noch so bescheidenen Platz einzuräumen? Und dies wäre auch berech
tigt gewesen. Diese grandiose Kunst, die noch im 17. und 18. Jahrhundert
unerhört Schönes geleistet hatte, war im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer
ausgesprochenen ars minor heruntergefallen, zu einer Nebenkunst ohne
allzu große Ambitionen, und wenn auch die Gobelin- oder die Beau-
vaismanufaktur weiter gearbeitet haben, so handelte es sich des öfteren
nicht so sehr um Kunst, als um Kunstgewerbe ohne Ansprüche auf
Originalität.
Das an Kunst so reiche 19. Jahrhundert hat erstaunliche Lücken und
Schwächen. Was den Menschen umgibt, was sein Leben freudig macht und
sein Heim mit Schönheit ausstattet, nämlich die Wohnungseinrichtung, war
so tief gesunken wie nie in der Geschichte. Man staunt, in welcher Umgebung
unsere Großväter und Väter gelebt haben. Dabei sind eine ganze Menge
Kunstformen beinahe verschwunden: Schnitzerei, Email, Goldschmiede- und
Medaillenkunst, Keramik, teilweise auch Porzellan — kurz und gut, die
ganze Kleinkunst, von den Möbeln ganz zu schweigen.
Kein Wunder, daß unter diesen Umständen auch die Gobelinkunst ein
kärgliches Dasein fristet. Napoleon, der nicht nur für die Baukunst, sondern
auch für die Inneneinrichtung (Möbel, Dekoration, Porzellan, Medaille)
so viel getan hatte, gab auch der Kunst der Tapisserie einen starken Antrieb.
Die Empirezeit hat viel und zum Teil auch Großes geleistet, obwohl nicht
immer mit absoluter Originalität. Die Zeiten, für Gobelins insbesondere,
waren ungünstig.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts nimmt die Bedeutung des rein Technischen
zu, so daß der Geist des rein Künstlerischen allmählich erstickt wird. Oudry
selbst war berühmt durch die Anforderungen, die er an die Ateliers stellte,
seine Skizzen mit möglichst großer Genauigkeit zu reproduzieren. Allmählich
wurde der Gobelin ein Sklave der Malerei, und die Tapisserie war letzten
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