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vor allem für alle Bereiche der Malerei und Gra 
phik von Bedeutung geworden war. Diese „Wie 
ner Flächenkunst“ kam vor allem in der noch 
jungen Disziplin der Plakatgestaltung zur An 
wendung. Hier hatten Gustav Klimt, Kolo Moser, 
Alfred Roller und Berthold Löffler bereits seit der 
Jahrhundertwende künstlerische Maßstäbe ge 
setzt und Kriterien für diesen von den Kunst 
akademien vernachlässigten Bereich erarbeitet. 
Was um 1900 als ein Ergebnis des künstleri 
schen Erneuerungsstrebens angesehen werden 
mußte, entwickelte sich in den Nachkriegsjahren 
nach 1918 zu der Spezialdisziplin der Gebrauchs 
und Werbegraphik. Die allgemeinen sozialen und 
wirtschaftlichen Verhältnisse, die Steigerung der 
industriellen Produktion sowie das freie Spiel der 
sich konkurrenzierenden Kräfte führten jetzt zu 
näheren Kontakten zwischen Kunst und Wirt 
schaft, zwischen Kunst und Alltag. In den zwan 
ziger Jahren setzte sich die Erkenntnis durch, 
daß wirtschaftliche Erfolge auch von einer künst 
lerisch gestalteten Reklame, von einem Plakat 
abhängig sein können — und daß daher diese 
visuelle Information mit werbender Absicht ein 
besonderes Augenmerk verdient. In der Folge 
widmeten sich gerade die begabtesten und be 
sten Schüler aus den Klassen der Kunstgewerbe 
schule diesem Gebiet, darunter eben auch 
Joseph Binder. Als er im Jahre 1926 den Staats 
preis der Schule erhielt, konstituierte sich auch 
der „Bund der österreichischen Gebrauchsgra 
phiker“, der nicht nur eine Hilfsorganisation des 
neuen Berufszweiges eines Gebrauchs- und 
Werbegraphikers sein wollte, sondern auch über 
die „Reinheit der Kunst und Lauterkeit der Re 
klame“ wachsen wollte. Was dieser Bund auf sei 
nen ersten Ausstellungen zeigen konnte, befolgte 
auf allen Gebieten die Kriterien einer plakativen 
Gestaltungsweise: überzeugende Darstellung des 
Themas, Einfachheit und Vermeidung unwirk 
samer Details. Diese Plakatkunst, die für die 
Straße und den Markt bestimmt war, entwickelte 
noch in den zwanziger Jahren zwei Tendenzen 
des künstlerischen Gestaltens. Der Wiener Pla 
katstil bevorzugte zumeist „illustrative Plakate“, 
die durch vereinfachte und reduzierte illustrative 
wie farbliche Mittel die Bildfläche so gliederten, 
daß Linie und Farbe ausdrucksstark zur Geltung 
kamen. Mitunter spielte aber auch schon das 
„konstruktive Plakat“ eine Rolle, bei dem eine 
harmonische und spannungsgeladene Gliede 
rung der Flächen und Räume angestrebt und 
Wert auf die proportionalen Zusammenhänge 
zwischen dem Ganzen und den Teilen gelegt 
wurde. Ordnung, Schönheit, Phantasie und 
Funktion waren die obersten Kategorien eines 
solchen Gestaltens, das unabhängig vom Thema 
zur Geltung kam. 
Joseph Binder war von der ersten Stunde an ein 
Vorkämpfer und prominenter Vertreter dieser 
ersten Generation von Gebrauchsgraphikern. 
Getreu der secessionistischen Devise vom Jahr 
hundertbeginn „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst 
ihre Freiheit“ hatte er unablässig durch seine
	        
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