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sönlich kennen zu lernen. Central Park South
ist einer der schönsten Teile New Yorks. Bin
ders Studiofenster schauen auf den großen grü
nen Naturpark. In einem großen Empfangsraum
wartete ich gespannt auf ihn. Binder kam und
mit ihm alle meine Erinnerungen an seine Pla
kate. Klarheit, Harmome und Dynamik. Er war
freundlich und hilfsbereit. Wir tauschten einige
Erinnerungen an Wien aus, und er war sofort
bereit, mich in sein Studio aufzunehmen.
Es folgten arbeitsreiche Jahre. Bei Binder arbei
teten dauernd einige hervorragende Zeichner,
die es als Auszeichnung empfanden, mit ihm
arbeiten zu dürfen. Die Zeit, in der ich mit
Joseph Binder arbeitete, bereicherte mein Wis
sen und Können außerordentlich. Er verlangte
im Studio peinliche Ordnung. In Farbenwahl und
deren Nuancen war er unübertrefflich. Er ver
wendete oft eine blaue Farbenmischung, die ich
nur bei ihm gesehen habe. Ich hätte diese Farbe
gerne ,Binder-Blau' genannt. Binder hatte eine
angeborene Stärke, Entscheidungen zu treffen.
Ebenso schnell, beinahe blitzartig fand er über
raschende Lösungen für die Vereinfachung, für
die Essenz einer Sache oder einer Aufgabe.
Wunderbar waren seine Lösungen zum Beispiel
für den Wellenschlag eines Schiffes. Die
Schaumkronen konnte nur Binder so stilisiert
und doch realistisch dahinziehen lassen. In die
ser Zeit entstanden die Entwürfe für ,Navy‘ und
,Coastguard‘ und die Plakate für die ,United
Airlines'. Seine in kleinem Format in Pastell
ausgearbeiteten Skizzen waren Kunstwerke. Bin
der hatte eine freundliche Natur, hatte Flumor.
Die Verbindung mit Joseph Binder blieb weiter
hin aufrecht nach meinen anderweitigen Enga
gements, so daß ich auch seine neuesten Arbei
ten verfolgen konnte. Es entstanden die Plakate
für die ,Chaplains Division of the Navy', die in
Komposition, eleganter Stilisierung und Farbe
allgemeinverständlich auf höchster Ebene die
Pietät und Religiosität darstellen und für sie
werben.
New York 1960—1972: Es war die Zeit, in der
der Künstler Joseph Binder seine Weltanschau
ung und sein Können in reiner Kunstform aus
zudrücken suchte. Er arbeitete mit nie ermü
dender Energie an seinen Gemälden. Es ent
standen in einigen Jahren viele Kunstwerke, die
Harmonie und Erhabenheit in konzentrierter
Form in einer Symphonie der Farben offenbar
ten. Manche dieser Bilder wurden in vielen Aus
stellungen gezeigt, doch die große ,Joseph-Bin-
der-Ausstellung' fand 1972 im Museum für ange
wandte Kunst in Wien statt, welche Professor
Joseph Binder nicht mehr erlebte. Sie wurde
zur Gedächtnis-Ausstellung.
Die Werke von Joseph Binder wirken und lehren
weiterhin. Aus seinem jahrzehntelangen uner
müdlichen Schaffen werden viele kommende
Generationen immer wieder neuen Ansporn
schöpfen können."
George Gyuk, New York, 1976