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in Originalgröße auf dem Plakat in schwarz
weiß, stiiisierte sie und komponierte sie mit far
bigen Fiächen. Man konnte gute Arbeiten
machen. Ich verdiente mir immer mein Geid
und arbeitete nur gegen Aufträge.
1922. Endlich war es mir mögiich, mich in der
Meisterkiasse für Maierei von Professor Bert-
hoid Löffier an der Kunstgewerbeschuie zu regi
strieren, das Ziel eines jeden modern-denken
den Künstlers. Es gab keine Klassen für ,,gra-
phic designs“, ich soilte zu einem Maier aus
gebildet werden. Es war nicht mein Ziel, ein
Picasso Nummer zwei zu werden, ich woiite eher
ein Plakatkünstier Nummer eins werden. Ich
arbeitete immer ailein, niemand beeinfiußte
mich. Professor Löffier bewies mir ein außer-
ordentiiches Verständnis: ,,Ein Talent stört man
nicht“ ... Das Resume meines Abgang-Dipioms
vom 30. Juni 1926 gab einen Beweis seiner Ein-
steiiung. ,,Gesamturteil über Joseph Binder.
Ganz außerordentlich entwickiungsfähiges Ta-
ient. Ein Zeichner voil kaliigraphischem Reiz,
doch gewissenhafter Seibstkritik, mit sehr viei
Sinn für das Dekorativ-Wirkungsvoile machte er
in großen Etappen Fortschritte und zählt heute
bereits zu den geschätztesten Werbegraphikern“
(Professor Löffler). Zum Abschluß meiner Stu
dien wurde mir 1926 der Staatspreis verliehen.
Ich nahm teil an den in der Kunstgewerbeschule
ausgeschriebenen Wettbewerben der Österrei
chischen Regierung für die österreichischen
Ehrendekorationen 1924—1930, für Briefmarken,
Banknoten. Professor Hoffmann war einer der
Juroren. Die Entwürfe wurden manchesmal im
österreichischen Museum ausgestelit, darunter
einige von meinen mit Anerkennungen.
Zu dieser Zeit begründete ich mein eigenes Ate-
iier in Wien. Zuerst mit Freunden. Das Angebot
an Wohnungen und Ateiiers war knapp und kost-
spieiig. Der Maler Fred Taubes, der später in
Amerika sehr bekannt wurde, erwarb ein Ateiier
am Möiiwaldpiatz, welches Professor Zucker-
kandl als Laboratorium eingerichtet hatte. Tau
bes war ambitioniert, einer der meist genannten
modernen Künstler zu werden, was er überaus
anregend und amüsant auszudrücken verstand.
Alles im Atelier hatte nur ein Interesse, das
Moderne und Neue. Taubes Cousin soilte das
Atelier managen. Mein Freund Streit und die
Werbegraphikerin Liiiy Auböck waren die Kunst
kräfte des Ateliers mit dem Namen ,,Esbeta“,
abgeleitet von den Anfangsbuchstaben der
Namen der Ateiier-Teiihaber. Lilly war die
Schwester von Carl Auböck, einem der sehr
eifrigen Studenten Johannes ittens, welcher da
mals in Wien die Gruppe seiner Anhänger lehrte.
Das Plakat für ,,Kunerol“ war mein erstes
modernes Piakat (1922) und die Krönung des
Ateiier-Unternehmens. Auch meine Teilnahme an
den Plakatwettbewerben des Amerikanischen
Roten Kreuzes war erfolgreich, und zwar erhieit
ich einen ersten und dritten Preis für meine
Entwürfe. Der Beruf war schon damais dafür
bekannt, daß man davon nicht leicht reich wer-