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Bis jetzt muß ich mindestens 100 Pastelle in 
meinem Skizzenbuch fertiggestellt haben, die 
trotz der Eile, welche manchesmal nötig war, 
viele Details enthalten. 
Die Leiterin der Chouillard School of Art in Los 
Angeles, Mrs. Chouillard, war in ihrer großen 
Gastfreundschaft sehr bemüht, uns alles Sehens 
werte zu zeigen. Über das Wochenende ein Aus 
flug von Los Angeles nach San Francisco. Eine 
unvergleichlich schöne Reise auf der Bergstraße 
entlang der Küste des Pazifischen Ozeans. Da 
sie teilweise noch nicht fertiggestellt war, war 
eine Umleitung über Bakersfield notwendig. Dort 
lernten wir die unerträglichste Hitze kennen. Die 
ersten Straßen, von Mexico kommend, entlang 
der Küste, waren von den Mönchen der spani 
schen Missionen gebaut worden. Die Missions 
häuser in einem vereinfachten Stil spanischen 
Barocks mit den Zufahrtsalleen von federig be 
laubten Bäumen, die angenehm das feine Aroma 
von Pfeffer verbreiteten. Die Oakland Bridge 
nahe San Francisco war noch in Konstruktion, 
und die gigantisch große Anzeige informierte 
uns, daß die Brücke fünf Meilen lang sein und 
35 Millionen Dollar kosten wird. Wie immer sind 
auch hier Zivilisation und Natur nahe beisam 
men, draußen auf den Felsen tummeln sich die 
Seehunde und die Pelikane. 
Zurück in New York, fand ich ein Telegramm vor, 
in welchem mir der Direktor der Kunstgewerbe 
schule in Wien mitteilte, daß ich mich um die 
dort zu errichtende Klasse für Gebrauchsgraphik 
bewerben solle. 
Ich war überzeugt, daß mein Freund Professor 
Haerdtl der Initiator dieser Aufforderung war, 
da er wußte, daß ich den Schülern zuerst die 
Flügel wachsen lasse, später werden sie sowie 
so gestutzt. Bei meiner Abreise von New York, 
im Dezember 1935, schauten wir traurig auf die 
langsam entschwindende Skyline von New York. 
In Europa hörte ich von einem Freund in Lewis, 
Sussex, daß der Leiter der graphischen Schulen 
in England neu gewählt werden solle. Nach mei 
nem Besuch von „Pelikan“ in Hannover waren 
wir im Zug nach Berlin die einzigen Zivilperso 
nen. Ich besuchte Dr. Frenzei, den Herausgeber 
der „Gebrauchsgraphik“. 
Ich fand die Stimmung in Europa deprimierend, 
und wir waren uns des Vorteiles der amerikani 
schen Lebensauffassung bewußt. Von da an 
begann der Entschluß zu meiner Rückkehr nach 
Amerika zu reifen. Diese Absicht verstärkte sich 
nach meiner Ankunft in Wien. Nach vielem Über 
legen entschloß ich mich, mein Atelier in Wien 
als „Oversea Branch" zu erhalten. Meine volle 
Arbeitskraft war in Anspruch genommen, um 
meinen Aufträgen, sozusagen „auf Vorrat“, 
nachzukommen. 
Im Rahmen der Weihnachts-Ausstellung des 
„Neuen Österreichischen Werkbundes“ im 
Österreichischen Museum für Kunst und Indu 
strie wurde eine Ausstellung meines graphischen 
Werkes von Plakaten, Schutzmarken und Ver 
packungsentwürfen sowie die Pastellskizzen 
meiner Reise in den USA in einem von Professor 
Oswald Haerdtl entworfenen Raum gezeigt. Es 
war ein außerordentlich schöner Raum, welcher 
den Eindruck einer vollkommenen Integration 
einer zum ersten Male stattfindenden Ausstel 
lung für Gebrauchsgraphik schuf. 
Im Zusammenhänge hielt ich am 18. Dezember 
1935 einen Lichtbilder-Vortrag im österreichi 
schen Museum. Professor Josef Hoffmann er- 
öffnete den Vortrag; Professor Clemens Holz 
meister bemerkte zu meinem jüngeren Bruder 
Hans: „Binder ist einer der großen Künstler, die 
wir haben.“
	        
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