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der vorherrschende Stil das sogenannte Empire,
das sich durch seine Einfachheit auszeichnete —
ein Resultat der Französischen Revolution, im
auffallenden Kontrast zu dem Pomp des Barock.
Der Stil des Empire war der letzte, welcher den
Geist seiner Zeit reflektierte, den der Bürger
lichkeit.
Die folgende Periode ist charakterisiert durch
die volikommene Abwesenheit eines Stiis. Die
ersten großen technischen Erfindungen übten
einen entscheidenden Einfluß auf den Geist des
20. Jahrhunderts aus. Der Maschinenbau ent
wickelte das industrielle System, welches als die
dominierende Idee der Zeit einflußnehmend auf
die zeitgemäße Kunstform hätte sein solien. Die
Künstler waren jedoch nicht mehr das Binde-
giied zwischen Leben und Kunst. Sie zogen sich
mehr und mehr vom Feld der Industrie zurück
und emanzipierten sich vollkommen von den
Aufgaben der Angewandten Kunst, umsomehr
als sich die Tendenz der Industrie dem Kopie
ren und Imitieren der Schöpfungen vergangener
Epochen zuwandte. Ais Konsequenz der Ent
fremdung des Künstlers entwickelte sich die
,,Freie Kunst“ in dem Sinne von ,,1’art pour
l’art“. Die Auffassung der „Freien Kunst“ in
Renaissance und Barock war in Wirklichkeit die
harmonische Verbindung von Zweck und Kunst,
die fundamentale Idee Angewandter Kunst. In
der weiteren Folge entwickelte sich diese Eman
zipation einer vollkommen neuen, individuellen
Kunstform ohne Relation zu den Ansprüchen des
täglichen Lebens. Der Wunsch des Künstlers,
nach seiner eigenen Auffassung zu schaffen und
Kompromisse mit den Ansprüchen der Industrie
zu vermeiden, führte zu der sogenannten Staf
felei-Malerei, vom Impressionismus zum Kubis
mus, vom Expressionismus zum Surrealismus
und der abstrakten Maierei, deren Schöpfungen
nur einem kleinen Teii des an Kunst interessier
ten Publikums verständlich waren.
Es ist der Prognose einer Gruppe von Archi
tekten, Kunsthandwerkern und Gebrauchsgra
phikern zu verdanken, wieder die kreative Kunst
form mit dem Zweck und der Inspiration des
Zeitgeistes verbunden und als aktiver Faktor für
die künstlerische Gestaltung des industriellen
Zeitalters wirksam gemacht zu haben. Das 20.
Jahrhundert ist im Wesentlichen das technische
Jahrhundert, wodurch das Konstruktive, das Funk
tioneile und die Dynamik der Kunstform bedingt
sind. In der modernen Architektur ist dieser
Geist bereits im weitesten Maße erkennbar,
durch die Betonung des Konstruktiven und
Funktionellen unter Vermeidung jeder Ornamen
tik. Nicht nur in den großen Büro- und Wohn
häusern, sondern auch in einzelnen Privathäu
sern beginnt sich dieser Geist durchzusetzen.
Derseibe konstruktive Geist bestimmt die Form
des heutigen „design“ und bestimmt den Künst
ler, auch Objekte des täglichen Lebens in der
höchsten Vollkommenheit mechanischer Produk
tion zu gestalten. Dies ist nicht nur das Problem
des Ingenieurs, wie es zuerst erscheinen könnte.