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NACHMITTELALTERLICHE PLASTIK NACH
1500
bearbeitet von Anselm IVeissenhofer
Mit Ausnahme der Kanzel (1510—15), die ja als Spitzenleistung der
gesamtdeutschen Spätgotik einzig dastcht, erreichen die Bestände an
nachmittelalterlicher Plastik in St. Stephan nicht die Höhe der
Wertskala, die wir von Meisterwerken aus der hochgotischen
Zeit abzulesen haben. Immerhin befinden sich unter den Grab
denkmälern des 16. und 17. Jahrhunderts bis um die Mitte
des 18. Jahrhunderts nicht wenige, denen sowohl in künstlerischer
als auch in kultureller Hinsicht besondere Bedeutung zukommt.
In der Zeit des Humanismus und der Renaissance sind es Epita
phien von hochgestellten Klerikern und Gelehrten und an der
Außenseite des Domes solche von angesehenen Bürgern und ge-,
legentlich auch von Körperschaften. Auffallend mag es sein, daß
sich in der Hauptkirche der Stadt keine Grabdenkmäler des
Hochadels nachweisen lassen. Diese Schichte der feudalen Ge
sellschaft bestattete ihre Angehörigen in eigenen Familiengrüften,
entweder auf ihren Landsitzen oder in eigenen Kapellen in
anderen bevorzugten Stadtkirchen, wie zum Beispiel in St. Augu
stin. Stilistisch ergibt sich besonders für das 16. Jahrhundert aus
der reichen Abfolge von Grabdenkmälern eine fast lückenlose
Obersicht über die Entwicklung der künstlerischen Auffassung
jener Zeit.
Die Barockkunst beanspruchte die Mitarbeit der Bildhauer für
figurüle und dekorative Ausstattung der Altäre und ihrer oft
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