Tafel 1
1 SIMSON, DEN LÖWEN BEZWINGEND
Holzschnitt, 38,2:27,8 cm
Monogramm; um 1496/97
Ritter, S. 54; Inv. Nr.: 2626 (43/1)
Die Komposition des vor den Anfängen der Großen Passion entstandenen Blattes
ist sowohl dem mittelalterlichen Typus der Stiche des Meisters E. S. wie auch Ein
flüssen von Mantegna verpflichtet. Der Kampf des Simson mit dem Löwen erscheint
hier gleichsam als Symbol der Überwindung des Bösen zur Erreichung eines höheren
Zieles. Dadurch übernimmt das Simsonbild der Bibel die Stellung des Heraklesbildes
der Antike, woraus schließlich, unter dem Einfluß der Renaissance, das Bild des
Herakles Christianus entsteht. Bezeichnend für die symbolische Stellung des Bildes
ist der Blick des Simson, der nicht auf seine Tätigkeit, sondern meditativ in die Ferne
gerichtet ist.
Innerhalb der Geschichte der vorreformatorischen Entwicklung kommt diesem Blatt
vor allem deshalb so große Bedeutung zu, da später Martin Luther für die erste
Herausgabe des Alten Testamentes in den Urtext eigenhändige Bemerkungen zur
Bildgestaltung der Simsongeschichte einflocht, die nach seinem Diktat besonders
hervorgehoben werden sollten. Lucas Cranach nahm sich das vorliegende Dürerblatt
dabei weitgehend zum Vorbild.
Kraftvolle, realistische Darstellung im stark gezeichneten Vordergrund gegen eine
leicht gezeichnete, weit in die Tiefe führende Weltlandschaft im Hintergrund.
Literatur:
B. 2 — Dodgson, Catalogue, I, S. 271, 8 — Kurth, 103 — Meder, 107 — Tietze,
I, 96 — Panofsky, II, 222 — Hollstein, VII, 107 — Knappe, S. 10, 144.
2 DIE HEILIGE FAMILIE MIT DEN HASEN
Holzschnitt, 39,2:28,1 cm
Monogramm; um 1496/97
Ritter, S. 55; Inv. Nr.: 2632 (43/8)
Die Komposition des vor den Anfängen der Großen Passion entstandenen Blattes
übernimmt motivische Einzelheiten von Schongauer sowie des Hausbuchmeisters.
Die starke Bewegung plastischer Formen zeigt neben der stärkeren Betonung des
Eigenwertes der Linie eine neue Auffassung der Bildgestaltung gegenüber der bis
herigen Tradition.
Das Ineinander von Traditionellem und Neuem bestimmt auch den Inhalt der
Darstellung: Trotz des durch Engel und Krone angedeuteten konventionellen
Krönungsbildes zeigt das Blatt eine wesentliche Vermenschlichung in einer Familien
szene.
Die im Vordergrund des Bildes die Szene auflockernden Hasen dürften wohl kaum
als Fruchtbarkeitssymbol (Knappe, S. lOf.) zu betrachten sein, sondern eher mit der
Hieroglyphik des Horapollon in Zusammenhang stehen. Dort ist der Hase das
Zeichen für Eröffnung oder Offenbarung (Cod. Pal. 3255 der Ö.N.B., Fol. 35,
No. 27). Hierfür liegt allerdings eine frühmittelalterliche Deutung vor. In Wahr
heit ist der Hase in der Hieroglyphik des Horus Apollinis als echte Hieroglyphe
aufgenommen, die im Altägyptischen das Zeichen für das Verbum „dauern“ ist
(Egger, S. 39).
18