sehende Herabziehen und Profanisieren des Göttlichen zu menschlicher Vertraulich
keit (2) treffen schließlich humanistische Ideen, reformatorische Bewegung und
Dürerische Bildgestaltung zusammen (3).
Dürer hat sich offiziell bis zu seinem Tod von der katholischen Kirche nicht getrennt;
die schriftlichen, historisch faßbaren Quellen seines Verhältnisses zu Luther und zur
Reformation sind umstritten, seine Kunst aber ist Kunst des Reformationszeitalters,
wenn auch nicht Kunst des Protestantismus. Waetzold (4) beschreibt sie als „geboren
aus dem Geiste einer neuen Frömmigkeit, gebunden aber an alte Stoffe und alte
Formen. Sie entsteht in einer Periode religiöser Erneuerung, die sich unter Schmerzen
und Krämpfen vollzieht, aber sie ist keinem kirchlichen Bekenntnis verpflichtet.
Was diese Kunst verbindet mit Luthers Tat, ist nicht ein gemeinsames Programm,
es ist der gemeinsame Urgrund des seelischen Lebens, aus dem der eine wie der
andere hervorgebrochen ist.“
Historisch fällt die erste nachweisbare Beziehung Dürers zu Luther in das Jahr 1518,
also unmittelbar nach dessen erstem öffentlichem Auftreten (5). 1520 äußert Dürer
den Wunsch, er möchte Luther malen und in Kupfer stechen „zw einer langen
gedechtnus des kristlichen mans, der mir aws grossen engsten gehollfen hat“ (6).
Wie aus dem Tagebuch der Niederländischen Reise von 1520 bis 1521 ersichtlich
wird, kaufte Dürer damals Schriften Luthers und erhielt sie geschenkt (7), in den
Jahren 1518/20 legte er ein Verzeichnis jener Lutherschriften an, die sich in seinem
Besitz befanden (8).
Am 17. Mai 1521 ereilt Dürer in Antwerpen die Kunde, Luther sei tot; ein Gerücht,
das nach dem von Kurfürst Friedrich dem Weisen initiierten Scheinüberfall auf
Luther während seiner Rückreise von Worms verbreitet wurde. Erschüttert von der
Nachricht kommt es zu einem Gefühlserguß Dürers. Diese Stelle des Tagebuches,
bekannt als „Lutherklage“ (9), wurde zwar immer wieder zu Klärung der Frage
um Dürers Verhältnis zur Reformation herangezogen, aber erstmals von Rupprich
interpretiert (10), der auch überzeugend darlegt, daß es sich dabei durchaus um eine
eigenhändige und unter dem unmittelbaren Eindruck der Nachricht stehende Ein
tragung Dürers handelt (11). Dürer bringt hier vor allem im Sinne des christlichen
Humanismus seine Sorge um Reformierung des unchristlichen Papsttums zum Aus
druck, um die Befreiung des Gotteswortes von der Verfälschung durch Menschen
gesetze, und verlangt die Aufhebung der materiellen, religiös unnötigen Beschwerung
des Gewissens und Rückkehr zum klaren (12), einfachen Evangelium. All diese
Aufgaben sieht er im Werk und im Wirken Luthers, der ihm, wie früher einmal
geäußert, aus großen Ängsten geholfen hat, erfüllt.
Gegen Zwingli und die Bilderstürmer innerhalb der reformatorischen Bewegung
richtet sich die Widmungsepistel (13) zu der 1525 im Druck erschienenen „Unter
weisung der Messung“. Wahrscheinlich nahm Dürer auch Anteil an den theologischen
Diskussionen über das Abendmahl (14). In den Auseinandersetzungen des Prozesses
des Nürnberger Rates gegen die gottlosen Maler mit der vorübergehenden Ausweisung
der Brüder Behaim aber taucht der Name Dürers nicht auf.
Hingegen war jedoch eben dieser Prozeß der äußere Anlaß zu dem in seiner Ver
bindung von Wort und Bild klarsten und deutlichsten Bekenntniswerk Dürers, den
berühmten Tafeln der Vier Apostel, die er am 16. September 1526 dem Rat der Stadt
Nürnberg verehrte (15). In den den Apostelgestalten zugeordneten Bildunterschriften
(16) wendet sich Dürer gegen nicht-lutherische Strömungen der Reformation und
will damit zu einer Verfestigung der Lutherischen Konfession beitragen (17). Die
Texte dazu entlehnte er der 1522 in Wittenberg erschienenen „Septemberbibel“
Luthers (18).
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