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Die Kunstpraxis.
Berlin ist in bebauter Fläche ausge
dehnter als Wien, und haben deshalb die
Grundpreise nie jene Höhe erreicht, an
welcher unsere so lang eingeengte Vater
stadt krankt. Es konnte sich also auch dort
bei Miethobjecten nie jene Stockwerksanhäu
fungzeigen, welche eben in Wien so dominirt.
Bei uns sind Miethobjecte (richtig be
nannt Zinshäuser), welche 6 und 7 Ge
schosse vom Strassenniveau aufweisen, nichts
Seltenes. Die ähnlichen, vielgeschossigen
Bautypen mit einer grösseren, in der Aus-
senerscheinung betonten Wohnung des Be
sitzers im Hauptgeschosse sind auf dem
Aussterbeetat. Waarenhäuser und das Ein
zelwohnhaus eliminiren sich aus dieser
Kategorie.
Unsere gegenwärtigen Miethhäuser ver
folgen, durch die wirthschaftlichen Ver
hältnisse bedingt, keinen anderen^ Zweck, als
durch Anhäufung kleiner, leicht vermieth-
barer Wohnungen in einem Bauwerke das
grösste Erträgniss des investirten Bau-
capitals zu erzielen.
Nachdem der Miethwerth der einzel
nen Geschosse überdies durch Anbringung
von Personenaufzügen, ziemlich ausgeglichen
wurde, musste als natürliche Folge daraus
hervorgehen, dass die äussere künstleri
sche Durchbildung an ein Auszeichnen
der Geschosse nicht mehr denken konnte
und dass architektonische Durchbildun
gen, welche ihre Motive in der Palastarchi
tektur suchen, als völlig verfehlt zu be
zeichnen sind, weil sie eben der Innen-
structur des Baues widersprechen.