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Volltext: Blühender Jugendstil - Österreich, 1: Farben, Formen, Dekore

VORWORT 
Dem Jugendstil wurden bisher zahlreiche Bücher und Ausstellungen gewidmet; so 
mag es dem oberflächlichen Betrachter scheinen, daß die Erforschung dieses Themas 
nahezu abgeschlossen und kaum noch Neuland zu entdecken sei. Wer allerdings be 
ginnt, sich für bestimmte Phänomene der Jahrhundertwende näher zu interessieren, 
den wird das Ausmaß der weißen Flecken auf dieser Landkarte erstaunen. 
Wie so häufig in den letzten Jahren, waren meine wissenschaftlichen Forschungen für 
eine Ausstellung gleichzeitig auch die Grundlagen für eine Publikation, und kaum je 
mals zuvor war bei der Wahl des Themas der Genius loci so mitbestimmend: das 
Schloß in der Landschaft, ihr frühlingshaftes Grün, die Blütenpracht des Sommers, und 
im Herbst die Fülle der Früchte. Schloß Herberstein zeigt in der Ausstellung „Blühen 
der Jugendstil“ von April bis Oktober 1991 mehr als 300 Leihgaben: Gläser, Keramiken, 
Stoffe, Bucheinbände, Objekte aus edlen und unedlen Metallen und Holzarbeiten. 
Das österreichische Kunsthandwerk der Jahrhundertwende wurde von der Kompo 
nente des Floralen wesentlich geprägt; in vielen Materialien und in allen Dimensionen 
ist das Pflanzliche vertreten, sei es in der Linien- oder Flächenkunst, im Tiefschnitt, im 
Relief oder vollplastisch in der Einheit von Pflanze und Gefäß, variierend je nach künst 
lerischem Entwurf, Material und Technik: vom irisierenden Lötz-Glas über kontrastie 
rend geätzte Überfänge zum tief geschnittenen, dunklen Violett (Moser/Karlsbad), von 
grünen „Eisätzungen“ und vergoldeten Gravuren (Lobmeyr) zu Bleiverglasungen (Gey- 
ling); in der Keramik vertreten durch den nordböhmischen Bereich (Turn- Teplitz) und 
im besonderen durch die leuchtenden Eosin-Vasen von Zsolnay/Pecs (Fünfkirchen) 
sowie der fröhlichen, volkstümlichen Farbigkeit der Frainersdorfer Keramik; im Metall 
einerseits im Silber von Jardinieren, Spiegeln und Tafelgerät von Wiener Silberschmie 
den, andererseits im Alpaka der Berndorfer Metallwarenfabrik oder in der Montierung 
kostbarer Gläser; auch der Schmuckentwurf (Köchert) griff um die Jahrhundertwende 
gerne auf Blumenmotive zurück; im textilen Bereich dominieren die Muster, die nam 
hafte Künstler (Delavilla, Hoffmann, Jungnickel, Margold, Moser sowie zahlreiche 
Schüler der Wiener Kunstgewerbeschule) für Backhausen schufen, und auch im Mobi 
liar finden sich florale Motive immer wieder, sei es in Form von Möbelbezugsstoffen, in 
Furnier-Reliefs oder Branddessins (Thonet und Kohn). 
In der Adaptierung des Naturvorbildes für das Kunsthandwerk reicht die Palette vom 
Naturalismus zur Abstraktion, und zwar keineswegs in linearer Abfolge, sondern oft im 
zeitlichen Nebeneinander. Linien- und Flächenkunst im graphischen und textilen Be 
reich, aber auch in der Gravur von Gläsern ergeben oft faszinierende Übereinstimmun 
gen trotz der Verschiedenheiten von Materialien und Techniken, und über das Relief, 
das „Auflagenglas“ oder die „Belagkeramik“, führt der Weg in die dritte Dimension, 
wenn Gefäß- und Pflanzenform eins werden. 
In der die Ausstellung begleitenden zweibändigen Publikation wird viel bisher unbe 
kanntes Material zugänglich gemacht: der vorliegende erste Band zum „Blühenden Ju 
gendstil“ Österreichs geht, reich illustriert, auf Farben, Formen und Dekore ein. Der 
zweite Band umfaßt - in alphabetischer Reihung - den Bereich Firmen- und Markenge 
schichte. 
Ausstellung und Publikation verdanken ihr Entstehen der Unterstützung zahlreicher 
Privatsammler und Firmen, denen an dieser Stelle sehr herzlich gedankt sei. 
Aus der exquisiten Sammlung von Herrn Brigadier Clausen durfte ich wertvolle Expo 
nate auswählen; Herr Dkfm. Rudolf Schmutz öffnete seine einzigartige Sammlung an 
Jugendstil-Eosinkeramiken von Zsolnay, und Joschko A. Buxbaum stellte zahlreiche 
Wiener Silberobjekte zur Verfügung. 
Ohne das Entgegenkommen traditionsreicher österreichischer Firmen, die bereitwillig 
Einsicht in ihre Archive gewährten (Joh. Backhausen & Söhne; Berndorf Besteck- 
Tafelgeräte Ges. m. b. H.; Carl Geyling’s Erben; A. E. Köchert; J. & L. Lobmeyr; Gebr. 
Thonet), wäre die Ausstellung nicht realisierbar gewesen. 
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