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KUNST UND NATUR, die beiden großen Erscheinunge n unserer Um 
welt, einander so innig verwandt, daß eine ohne die andere nicht denkbar 
ist, werden sich nie in die Formel eines Begriffes zwingen lassen. So unend 
lich vielgestaltig das Reich der mit uns wachsenden und vergehenden 
kristallischen, animalischen und vegetativen Formen auch ist: sie werden 
bestimmt von einem jenseitigen, starren und ewigen Gesetz und gehorchen 
dem unergründlich geheimnisvollen Machtwort der Schöpfung, das sie ins 
Dasein rief. Alle Naturfonn ist ständige Wiederholung des gleichen Ab 
laufs seit Jahrtausenden und nur durch klimatische Verschiebungen oder 
wechselnde Bodenbeschaffenheit Veränderungen unterworfen, die an der 
Grundgestalt nicht rütteln. Farn und Schachtelbahne hatten ihre heutige 
Form schon vor unvorstellbaren Zeiten. Nur ihre Größe hat sich unter der 
Entwicklung der Erdatmosphäre geändert. 
Was die Werke der Kunst von der Natur unterscheidet, ist Resultat des 
schöpferischen Aktes: Prägung einer eigengestalteten Form, das Neugezeugte, 
nicht Nachgeschaffene oder Wiederholte. Kmist entspringt unmittelbar dem 
gegenwärtigsten Kraftstrom der Zeit, deren sichtbarster Ausdruck sie ist. 
Sowie die Zeitlosigkeit eines Grashalms monumental und verehrungs 
würdig als Symbol ewiger Urgesetze allen Febens erscheint, so wirkt 
das Kunstwerk erschütternd gerade durch seine Einmaligkeit als konzen 
trierteste Manifestation, als Fichtbogen zwischen den beiden Polen Ver 
gangenheit und Zukunft. Vom assyrischen Tempel bis zum Stadion der 
Gegenwart, von dem in Meditation versunkenen Buddha bis zum Denker 
von Rodin, vom chinesischen Farbholzschnitt bis zum heutigen Kupfertief 
druck kündet jedes von Menschen erzeugte Gebilde mit solcher Deutlich 
keit den Geist seiner Epoche, daß man ihm leicht den Zeitpunkt seiner 
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