ZUR GESCHICHTE DES ORIENTALISCHEN TEPPICHS.
Ein Merkmal, wodurch sich der moderne orientalische
Teppich mehr oder minder strenge vom alten unterscheidet,
liegt in der farbigen Erscheinung. Da aber die Corruption
der orientalischen Farbengebung erst seit dem Eindringen
europäischen Einflusses datirt und die europäische Umwälzung
auf diesem Gebiete auch nicht älter ist als der Aufschwung
der Farbenchemie in unserem Jahrhundert, so erscheint es
klar, dass mit diesem Criterium nicht viel nach rückwärts
gewonnen ist.
Ungefähr das Gleiche gilt von dem Versuche, die
Mache zum Prüfstein des Alters zu machen. Im Allgemeinen
ist es gewiss richtig, dass die Sorgfalt der Ausführung in
früherer Zeit auch auf diesem kunstgewerblichen Gebiete
eine grössere gewesen ist, wobei schon der Umstand allein
entscheidende Bedeutung geübt hat, dass es sich früher über¬
wiegend nicht um die Herstellung von Marktwaare für fremde
Käufer, sondern um Hausfleisserzeugung für den eigenen
Bedarf handelte. Andererseits werden aber noch heute im
Orient Teppiche gefertigt, die, wie z. B. die Senne-Teppiche,
uns durch die Dichte ihres Gewebes in Erstaunen setzen.
Kaum besser steht es mit einem weiteren Criterium, das
sich auf die zweifellos constatirte Abnahme der Feinheit
der künstlerischen Empfindung bei den orientalischen
Teppichknüpfern der neuesten Zeit stützt. Dieses Moment
äussert sich unter anderm in sehr greifbarer Weise in der
Behandlung der Bordüre, die an älteren Teppichen stets von
vornherein unter Berücksichtigung der Ecklösung angelegt
wurde, während der moderne Teppicharbeiter mit dem
Rankenmotiv beginnt, unbekümmert darum, ob es sich auch in
entsprechender "Weise um die Ecken wird herumführen lassen:
die Folge davon ist, dass sich an neueren Teppichen in der
Regel die Langseite der Bordüre an der Schmalseite todtläuft.
Diese Abnahme der Feinheit der künstlerischen Empfin¬
dung datirt nicht von diesem Jahrhundert. Schon bei Chardin,