16 ZUR GESCHICHTE DES ORIENTALISCHEN TEPPICHS.
mindestens das Jahrhundert, ja nicht selten selbst minder
umfassende Zeiträume für die Entstehung eines Teppichs
festzustellen wissen. Leider zählen aber auch diese Fälle
keineswegs zu den häufigen.
Es ist nun der Versuch gemacht worden, die Wissen¬
schaft der Paläographie für die Zeitbestimmung orientalischer
Teppiche auch dort dienstbar zu machen, wo Inschriften zwar
nicht deutlich als solche angebracht sind, aber Grund vorlag,
dieselben als in gewissen Elementen der Decoration ver¬
borgen anzunehmen.
Im Ornamentschatz der Orientalen spielt das Schrift¬
ornament bekanntlich eine sehr grosse Rolle. Es wurde nun
an älteren Teppichen die Wahrnehmung gemacht, dass
gewisse anscheinend vegetabilische Motive die grösste
Aehnlichkeit mit Schriftzeichen aufweisen. Ergab sich über¬
dies aus den supponirten Schriftzeichen ein Sinn, der sich
mit der einstigen Bedeutung und Zweckbestimmung des
Teppichs in natürlichen Einklang bringen liess, so lag es
nahe, die paläographische Zeitbestimmung, die dem Schrift¬
zeichen zukommen würde, auf das Ornament und auf den
Teppich selbst zu übertragen.
Dieser Methode der Zeitbestimmung nach krypto-
grammatischen Criterien mag noch eine grosse Zukunft
bevorstehen, und ist der Scharfsinn des Forschers, der sie zu¬
erst zur Anwendung gebracht hat, nicht genug anzuerkennen.
F reilich erscheint bei Verwerthung dieses Criteriums zunächst
grosse Vorsicht geboten. So hat sich z. B. ein solches krypto-
grammatisches Motiv, dessen paläographische Bestimmung ins
XI\ . Jahrhundert lautet, völlig in derselben typischen Form
auch an unzweifelhaft modernen Teppichen vorgefunden. Es
ist zwar damit allein noch keineswegs bewiesen, dass der
I eppich, an dem jenes Motiv zuerst beobachtet wurde, nicht
im XIV. Jahrhundert entstanden ist; aber das Eine wird sich
selbst dann, wenn man an dem ursprünglich kryptogram-