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unter dem Namen musmarii (Leo Ost. III, 27), und der Codex Justinian.
im 6. Jahrhundert als musivarii. Aus diesen Quellen geht chronologisch
die unleugbare Thatsache hervor, dass diese Benennungen des Kunst-
zweiges, welche auf den Stamm mus lauten, erst nach dem Aufkommen
der Technik im Glasmaterial in der Litteratur hervortreten. Den Anfang
dieser technischen Neuerung können wir, Dank jener präcisen Notiz des
Plinius, ziemlich genau bestimmen, da eru) erzählt, man habe nneuer-
lichu auch die Gewölbe in solcher Weise zu_ zieren angefangen und diese
Art Malerei in allen Farben seitdem von Glas gemacht.
Ich habe in meiner Geschichte des Glases (Die Glasindustrie,
herausgeg. von L. Lobmeyr, Stuttgart 1874) u) gezeigt, wie man damit
anfing, zunächst das Glasmosaik mit jenem aus bunten Steinen in Rom
zu combiniren. Da das antike Glas ohnehin schon, wo es als Gefäß oder
im Schmuck angewendet wurde, den Edelstein und Halbedelstein in
Farbe und Textur zu imitiren suchte, lag seine Vermischung mit wirk-
lichem Stein in dieser neuen Verwendung ganz nahe, und so finden wir
in dem Boden im I-Iause des Fauns zu Pompeji amethystfarbene Glas-
fragmente beigemischt, beim Venustempel in Rom kamen Dreiecke und
Rauten aus grünem, blauem und weißem Glase dieser Art zum Vor-
schein, endlich zeugt das bekannte Bild des Hylasraubes im Palast Albani
von der Verwendung des bunten Glases an den Wänden neben Stein-
mosaik und deuten Stellen der Autoren ebenfalls darauf hin, wie jene
des Statius über die Decken in den Bädern des Claudius Etruscus, deren
Kammern schimmerten, deren Gewölbe nglänzten von buntem Glasen,
oder des Seneca, der von einem mit Glas umhüllten Gemache spricht.
Auch in den christlichen Gotteshäusern, z. B. in der ehemaligen Sici-
nianischen Basilica (S. Andrea in Katabarbara), bestanden noch Mosaiken
dieses Mischcharakters aus Stein und Glas, bis wir seit dem 4.. Jahrhundert
letzteres den Sieg gewinnen sehen (natürlich aber nicht am Fußboden)
und die Periode der glänzenden altchristlichen Glasmosaik-Decorationen
in Rom, dann die byzantinischen von Konstantinopel, Ravenna und
Venedig ihren Anfang nehmen.
Mit dieser Umwälzung, welche vom Technischen ausgehend die
wichtigsten Consequenzen vom ästhetischen Gesichtspunkte nach sich
zog, geht aber noch eine weitere neue Erscheinung Hand in Hand, die
ich an demselben Orte") zu erklären versucht habe. Die massenhafte
Erzeugung derjenigen GlasgefäBe mit einem Beleg aus Goldfolium, welche
bereits die heidnische Kaiserzeit, dann aber insbesondere die Katakomben-
gemeinde der ersten Christen so sehr liebte, hatte für einen anderen
Zweig der Glasindustrie, für die, wie oben gezeigt, gleichzeitig aufgeblühte
Decorirung in Glasmosaik, den Erfolg, dass man alsbald auch zu deren
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