208 GRIECHISCHE TEPPICHE.
gange des orientalischen Haremlebens erblickte. Welche
Bedeutung speciell die Weberei in der allgemeinen Werth¬
schätzung genoss und heute noch geniesst, prägt sich deutlich
auch in den modernen Märchen und Liedern des Volkes aus.
So oft in denselben von den Vorzügen der Frau, und zwar
selbst der Fürstin, gesprochen wird, erscheint an erster
Stelle die Geschicklichkeit und Emsigkeit rühmend hervor¬
gehoben, mit der sie der Kunst des Webens obzuliegen
versteht. Die Liebeslieder des Volkes haben den Handwebe¬
stuhl (ipfa.lz'A — argalio) mit all ihrem eigenthümlichen Zauber
umgeben, und heute noch wird unter der Bevölkerung Kretas
die Brautwerbung mit der Frage eingeleitet, ob das Mädchen
bewandert sei in der Handhabung des «tsXXifiO» (Telläro ist
die auf Kreta übliche Bezeichnung des Handwebestuhles).
Man schätzt die durchschnittliche Jahresproduc.tion
Griechenlands an Teppichen beiläufig auf 60.000 Oka (1 Oka=
400 Dramia = 1280 g), ein Betrag, welcher in Flächenmass
umgesetzt etwa 50.000 Quadratmeter repräsentirt und einen
Gesammtwerth von ca. 1,000.000 Drachmen darstellt (1 Drachme
entspricht nach dem Durchschnittscourse des Jahres 1890
37*8 Kreuzer ö. W.). >
Die hauptsächlichsten für Teppicherzeugung in Be¬
tracht kommenden Productionsorte sind Tripolitza, Leonidi,
Athen, Argos, Korinth, Atalanti, Gortinia, sowTie die Provinz
Thessalien, in letzterer speciell Volo und Makrenitza. Atalanti
ist derjenige Platz, wo die moderne Teppicherzeugung zuerst
aufgenommen wurde, Tripolitza jener, welcher an Leistungs¬
fähigkeit obenan steht und allein ein Fünftel der Gesammt-
production im Werthe von etwa 200 000 Drachmen liefert.
Das Hauptquantum wird ausschliesslich in der Hausindustrie
erzeugt, nur hie und da gibt es berufsmässige Teppichweber.
Dieser Umstand lässt es begreiflich erscheinen, dass betreffs
der Zahl der in diesem Industriezweige beschäftigten Arbeits¬
kräfte ziffermässige Daten, welche auch nur einigermassen