ZUR GESCHICHTE DES ORIENTALISCHEN TEPPICHS.
Durchkreuzung zweier paralleler Systeme von Linien, die
die Fläche entweder senkrecht und wagrecht durchschneiden,
wodurch rechteckige (gewöhnlich quadratische, Xr. 186) oder
als schräge Diagonallinien, wodurch rautenförmige (Nr. 158)
Felder entstehen; die letzteren (das sogenannte Rautennetz)
bilden die wohlgefälligere Art dieses Schemas. An Stelle der
Linien können auch breitere Bänder von geometrischer
Charakterisirung treten. In die einzelnen quadratischen oder
rautenförmigen Felder des Netzes werden dann Einzel¬
motive eingesetzt; ist das Liniensystem starr durchgeführt,
so sind dies auch meist geometrische oder sehr stark stilisirte
vegetabilische Füllungen (Xr. 151, 158).
Um aus diesem starren System den Eindruck des
abgezirkelt Geometrischen zu bannen, genügt es schon, die
Kreuzungslinien oder Bänder zu unterdrücken und die
Füllungen für sich allein stehen zu lassen. Dieses Schema
liegt dem Palmwipfelmuster in seiner einfachsten Form
(Shawlmuster) zu Grunde, das nichts Anderes ist als ein mit
Palmwipfeln gefülltes Rautennetz,' wovon die Maschen in
Wegfall gekommen und nur die füllenden Palmwipfel in
versetzten Reihen stehen geblieben sind.
Xoch nach einer anderen Seite hin hat das Rautennetz
den Angriffspunkt für eine weitere Entwicklung der orien¬
talischen Teppichornamentik geboten. Man hat nämlich die
flächentheilenden Linien durch aus vegetabilischen Motiven
zusammengesetzte Bänder ersetzt: dieses Schema liegt dem
sogenannten Herati-Muster (Nr. 14 ff.) zu Grunde. Schon der
mstand, dass sich in den flächentheilenden Bändern dieses
Musters stets dieselben Elemente in der gleichen Reihenfolge
wiederholen, beweist, dass das einfache Rautennetz dem
Muster zu Grunde liegt.
Dieses Schema der Flächenverzierung hat bereits der
antike Orient gekannt und geübt, wie unter Anderm die in Ninive
gefundenen Thürschwellen aus Stein und Bronze beweisen.