ZUR GESCHICHTE DES ORIENTALISCHEN TEPPICHS. 23
anderen Kunstgebieten, theils auch directe Berichte zur Be¬
weisführung" beigebracht werden können.
Das bisher Gesagte betrifft vornehmlich die geknüpften
Teppiche, die man ja gewöhnlich im Auge hat, wenn von
orientalischen Teppichen schlechtweg die Rede ist. Von der
zweiten Classe, den Kilim, braucht nur Weniges gesagt zu
werden, entsprechend der geringen Bedeutung, die dieser
Teppichclasse, wie es scheint schon seit vielen Jahrhunderten,
nur mehr zukommt. Der anatolische Kilim, ja selbst der
Karamani steht nach Technik und Muster noch auf einer
sehr primitiven Stufe der Textilkunst. Dagegen hat sich
in Kurdistan eine Kilimwirkerei erhalten, die in manchen
ihrer Erzeugnisse (Xr. 54) unmittelbar an die schönsten antiken
Wirkereien erinnert, die in den letzten Jahren aus ägyptischen
Gräbern ans Licht gebracht worden sind. Ja, die Art und
Weise, wie die Schlitze — bekanntlich ein natürlicher, der
Wirkereitechnik anhaftender Mangel — dazu benützt er¬
scheinen, um auf dem glatten weissen Grunde ein Muster
hervorzubringen (Xr. 54), verdient im höchsten Grade unsere
staunende Anerkennung. Und auch ein orientalischer Gobelin,
mit Darstellungen figürlichen Inhaltes, in Gold und Seide ge¬
wirkt, ist in die Ausstellung gelangt (Xr. 398); es muss aber
gesagt werden, dass diese orientalische Figurenwirkerei bei
Weitem nicht auf der Höhe derjenigen steht, die die nieder¬
ländischen und französischen Gobelins hervorgebracht hat.
Alois Riegl.
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