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sei, lässt sich heute mit Sicherheit nicht nachweisen, da, wie
eben vorübergehend bemerkt, auch diesseit der Alpen die ge
dachten zwei Arten von durchbrochenen Arbeiten seit dem Mit
telalter vielfach vorkpmmen. Das aber lässt sich nicht im
mindesten in Abrede stellen, dass der industriellen Lagunenstadt
Venedig der Ruhm gebühre, neben den vorher erwähnten mittel
alterlichen Gattungen der durchbrochenen Weisszeugswirkereien
die Technik der ausgeschnittenen Arbeiten (point covpe), desgleichen
die Reliefstickerei in vielgestaltigem Blu menwerk (point de rose oder
point de Venise en relief) wenn auch nicht geradezu erfunden, so
doch zur weiteren Entwickelung und hoher Blüthe bereits schon
im XVI. Jahrhundert gebracht zu haben. Nach heute noch erhal
tenen Muster- und Modelbüchern beschränkten sich die a jour
gearbeiteten Weisszeugsachen (lingerie a jour brodee) mit geringen
Abwechselungen auf diese drei oben gedachten Hauptarten der
Technik. Dazu kam noch als Variation hinzu, dass man namentlich
zur Verzierung von grösseren Decken, Spreiten, Vorhängen etc. um
den Reichthum der Arbeit zu heben, diese drei verschiedenen Arten
der Technik zugleich anwandte mit Hinzufügung von eingesetzten
Leinenstoffen, welche wiederum ihrerseits nicht selten mit runden
oder quadratischen Durchbrechungen belebt und im Knopfloch stich
(jpoint noue) garnirt und umrandet waren. Bis zum Schlüsse des XVI.
Jahrhunderts kamen die ebengedachten Arten der durchbrochenen
Spitzen und Kanten sowohl für Privatzwecke, sowie für Verzie
rung des kirchlichen Leinenzeuges fast-ausschliesslich zur Anwen
dung. Weil nun die ausgeschnittenen Arbeiten (cidworlc), die nur
mit geometrischen Dessins verziert waren, desgleichen die in
Blumenwerk en relief gearbeiteten Kanten (points de rosej zu
erst von Venedig, später von Genua ihren Ausgang genommen
haben, so pflegten vorzugsweise diese beiden auch diesseits der
Berge angefertigten, äjour durchbrochenen Nadelarbeiten schlecht
hin mit dem Namen points de Venise allgemeiner bezeichnet zu
werden. Da indessen die Ausführung dieser mühsamen und zeit
raubenden Arbeiten vorzugsweise in den vielen ehemals in Italien,
Spanien, Belgien, Deutschland und Frankreich bestehenden Non
nenklöstern mit besonderer Hingabe und Ausdauer sowohl für
kirchliche Zwecke als auch für Profangebrauch geübt wurde, so